Ministerium lässt 387 Mastbetriebe untersuchen und entdeckt Mängel
Kranke Schweine schlecht versorgt
Düsseldorf/Hövelhof
In fast 60 Prozent aller überprüften Schweinemastbetriebe haben nordrhein-westfälische Amtstierärzte Verstöße bei der Versorgung kranker oder verletzter Tiere entdeckt.
Ministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) nannte die Zustände „deutlich verbesserungswürdig“ und wies die Veterinärämter an, in diesem Bereich mehr zu kontrollieren.
Das Ministerium hatte im letzten Quartal 2019 eine unangekündigte Kontrolle durchführen lassen. Der Abschlussbericht wurde vergangene Woche dem Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss übergeben.
Kranke oder verletzte Ferkel, die an den Hinterbeinen gefasst und gegen eine Mauer geschlagen werden, um sie zu töten – solche zumeist illegal aufgenommenen Bilder werden gelegentlich von Tierschutzorganisationen verbreitet. „Es gibt diese Fälle, aber wir wollen sie nicht, und unternehmen viel, um sie zu verhindern“, sagt Hubertus Beringmeier. Er ist Schweinemäster aus Hövelhof und der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes.
Das Gesetz schreibt vor: Ist ein Tier verletzt oder hat es große Schmerzen, muss der Halter es töten, um seine Leiden zu beenden. Dabei muss das Tier vorher betäubt werden. Aber geschieht das auch? Der Umgang mit kranken Schweinen war der Schwerpunkt der Großkontrolle Ende 2019. Zu diesem Zeitpunkt lebten in NRW etwa 6,9 Millionen Schweine in 6830 Betrieben – vor allem Mastschweine (3,3 Millionen), aber auch um Zuchtsauen, Jungschweine und Ferkel. Bei der Kontrolle überprüften Veterinäre 387 Mastbetriebe, in 379 Fällen schrieben die Amtstierärzte laut Ministerium „verwertbare Protokolle“.
Nach Behördenangaben wurde in 59 Prozent der Betriebe mindestens ein Verstoß im Hinblick auf den Umgang mit kranken Tiere entdeckt. In 90 Betrieben (24 Prozent) wurden mehr Mängel festgestellt. Dabei ging es um die Separierung, Unterbringung und Versorgung kranker Schweine. „Nur 71 Prozent der Betriebe hatten geeignete Krankenbuchten mit weicher Einstreu für kranke Tiere“, heißt es in dem Bericht. Und: In 42 der Betriebe, die das Töten selbst übernehmen und nicht dem Tierarzt überlassen, gab es das vorgeschriebene Betäubungsgerät nicht, oder es war kaputt. In Fällen, in denen die Amtstierärzte Schweine mit länger anhaltenden Schmerzen und Leiden entdeckt hätten, wurden Anzeigen geschrieben. Zahlen nannte das Ministerium aber nicht.
Ein unheilbar krankes oder verletztes Tier über Tage sterben zu lassen – oft geht es dabei ums Geld, denn den Tierarzt kommt nicht kostenlos. „Wir versuchen seit Jahren, auch den letzten zu überzeugen, dass es so nicht geht“, sagt Hubertus Beringmeier. So würden im Kreis Paderborn schon lange Schulungen zum fachgerechten Töten angeboten. „Auf unserem Betrieb setzen wir eine Elektrozange ein, die allerdings 2500 Euro kostet. Damit kann man die Tiere erst betäuben und dann unblutig töten.“ Eine andere Möglichkeit sei, ein Tier mit einem Bolzenschussgerät zu betäuben und es nach einem Kehlschnitt ausbluten zu lassen. Und für kleine Ferkel gebe es CO2-Boxen für eine fachgerechte Tötung. Beringmeier sagte, bei aller Kritik dürfe man nicht vergessen, dass sich die weit überwiegende Zahl der Landwirte an die Vorschriften hielten.
Für den Deutschen Tierschutzbund in Bonn zeigt der Bericht des Ministeriums dagegen nur „die Spitze des Eisbergs“. Präsident Thomas Schröder: „Im Durchschnitt wird jeder Betrieb in Deutschland alle 17 Jahre kontrolliert. Auf dieser Basis kann es keinen konsequenten Tierschutz geben.“
Übrigens: Ob 200 Schweine oder 2000 – nach Angaben des Ministeriums hat die Größe des Betriebs „keinen nennenswerten Einfluss“ darauf, ob gegen Vorschriften verstoßen wird.
Startseite