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Paderborner Forscher wollen Studierende spielerisch motivieren

App macht Lernen attraktiver

Paderborn (WB). Welcher Student kennt das nicht: Eigentlich müsste man sich dringend mal der Seminararbeit widmen, doch andererseits könnte auch endlich die Küche geputzt werden. In den meisten Fällen gewinnt die Küche, bis der Zeitdruck für die Seminararbeit so groß ist, dass es nicht mehr anders geht. Thomas John und sein Team von der Uni Paderborn sind angetreten, um das zu ändern.

Maike Stahl

Paderborner Wissenschaftler wollen das Lernen mit einer App attraktiver machen. Entwickelt haben sie (von links) Katrin Klingsiek, Thomas John, Matthias Feldotto, Dennis Kundisch, Mike Langendorf, Liana Bomm und Alina Elrich. Foto: Besim Mazhiqi

Das Phänomen, das im Volksmund unter dem Begriff Aufschieberitis bekannt ist, betrifft nicht nur einige Studenten, sondern 80 bis 95 Prozent von ihnen. Das ist so gravierend, dass es nicht nur die wissenschaftliche Bezeichnung »akademische Prokrastination« dafür gibt, sondern auch Forschungsprojekte. Eines, das spielerisch Abhilfe schaffen möchte, ist am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Uni Paderborn angesiedelt, wo John als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich digitale Märkte tätig ist.

Das Zauberwort lautet »Gamification«

Das Zauberwort, mit dem die Wissenschaftler die Studis an den Schreibtisch bringen wollen, lautet »Gamification« – ihr Spieltrieb soll sie zum Lernen motivieren. »Dazu haben wir die App Study now entwickelt, die als Prototyp in einer Reihe von Veranstaltungen bereits getestet und zusammen mit den Nutzern weiterentwickelt wird«, berichtet John. »In der App sehen sie, was sie für den jeweiligen Kurs im Semester noch zu erledigen haben, und was schon geschafft ist.« Dabei können sie jeder Lernaktivität – egal ob es Stoff ist, der für die Klausur gelernt werden muss, ein Arbeitsblatt oder eine Vorlesung – die Stufen rot, gelb oder grün zuordnen. Rot steht für »Noch nichts gemacht«, Gelb für »Angeschaut, aber den Inhalt muss ich wiederholen« und Grün für »Fertig vorbereitet für die Prüfung«.

Fitness-Apps zum Vorbild genommen

In einem Wochenüberblick oder auch im Semesterüberblick sehen die Studierenden so schnell, wie es um ihre Lernaktivitäten bestellt ist. »Unser Vorbild waren Fitness-Apps wie Freeletics oder Runtastic, die die Nutzer erwiesenermaßen dazu motivieren, regelmäßiger Sport zu treiben«, erzählt Thomas John. »Wir wollen das spielerische Prinzip dieser Apps auf die Planung und Abarbeitung von Lernaktivitäten im Studium übertragen.«

Schlechtes Gewissen treibt an den Schreibtisch

Das scheint zu funktionieren. »Studierende haben uns erzählt, dass sie ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie noch sehr viel rot in ihrer App sehen«, berichtet John. So würden sie dafür sensibilisiert, dass ein Abend am Schreibtisch möglicherweise doch sinnvoller ist, als die Party. »Andere haben erzählt, dass sie sich darauf freuen, nach einem fleißigen Tag abends Aktivitäten auf grün stellen zu können.« Aber es gebe natürlich auch Studenten, die die App nicht mehr nutzen und wieder ihrer eigenen Organisationsform vertrauen. »Das ist für uns völlig okay. Wichtig ist, dass sie eine Möglichkeit finden, sich besser zu organisieren«, meint John.

Aufschieberitis gefährdet die Gesundheit

Denn die Aufschieberitis kann durchaus ernste Probleme mit sich bringen. »Studien haben gezeigt, dass Prokrastination nicht nur den Studienerfolg verringert, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für akademisches Fehlverhalten – Stichwort Plagiate – erhöht und vor allem die Gesundheit gefährdet«, weiß John. Deshalb freut er sich, dass die Arbeitsgruppe interdisziplinär besetzt ist.

Unter anderem steuert Psychologin Katrin Klingsiek Erkenntnisse aus ihrem Fachgebiet bei. »Das hilft uns enorm«, freut sich John. Schließlich wollen die Wissenschaftler auch neue Erkenntnisse zu Gamification erhalten. »Uns interessiert, wie man solche spielerischen Element systematisch nutzen kann«, sagt John. Dabei sind ihnen die Studis als Tester wertvolle Informationsgeber.

Start für alle im Wintersemester

Deshalb will das Team die App im kommenden Semester auch anderen Hochschulen zur Verfügung stellen, um die Tests, an denen bisher etwa 1000 Studierende teilgenommen haben, auszuweiten. Die Idee, dass die Nutzer eigene Profile anlegen können, um sich direkt mit ihren Kommilitonen zu vergleichen, haben die Forscher wieder verworfen. »Das ist aus Datenschutzgründen schwierig, aber auch aus sozialer Verantwortung«, sagt Thomas John. »nicht jeder kann gut damit umgehen, wenn er feststellt, dass alle Freunde schon weiter sind. Und die würden ja schließlich auch sehen, wer hinterherhinkt.«

Eingebaut werden sollen hingegen noch Funktionen, wie Push-Nachrichten, die den Nutzer daran erinnern, dass er jetzt mal langsam mit einer bestimmten Tätigkeit loslegen sollte, und Fortschrittsbalken. Im Wintersemester soll die App Study now dann zur freien Verfügung stehen.

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