Ein Jahr Corona-Krise in Paderborn: So erleben drei Intensivpfleger des Brüderkrankenhauses die Pandemie
„Das schüttelt man nicht einfach ab“
Paderborn.
Wenn Sonja Spieker und Mirka Schwöppe sich nach ihrer Schicht aus der Schutzkleidung schälen, brauchen die Intensivschwestern des Paderborner Brüderkrankenhauses einen Moment, um sich im Spiegel zu erkennen.
Das Brüderkrankenhaus St. Josef versorgt auf seiner Intensivstation auch Corona-Patienten. „Die Schutzkleidung ist wasserdicht, von außen, aber auch von innen. Wer damit mehrere Stunden arbeitet, quillt förmlich auf“, erzählt der pflegerische Leiter der Intensivstation Detlef Willing. Weil natürlich auch Schutzmaske, Haube, doppelte Handschuhe und Visier getragen werden müssen, sei die Arbeit körperlich extrem fordernd.
Hätte ihm vor einem Jahr jemand erzählt, was auf ihn und sein Team zukommt, hätte er ihn vermutlich belächelt, räumt Willing ganz offen ein. „Selbst als hier im Haus der Corona-Krisenstab eingerichtet wurde, eine Verordnung die nächste jagte und täglich neue Maßnahmen diskutiert und umgesetzt worden sind, hoffte ich noch, dass es vielleicht nicht so schlimm wird.“
Sonja Spieker, seine Stellvertreterin, haben die Bilder aus China und Italien tief beeindruckt. „Da konnte man sehen, wie schnell sich das entwickelt.“ Im März seien sie dann von den Ereignissen überrollt worden. Der erste Patient mit einer bestätigten Corona-Infektion sei am 22. März aufgenommen worden. Am 23. März sei ein Patient mit Corona-Verdacht auf der Intensivstation mechanisch beatmet worden. Zu der Zeit sei das Arbeiten noch erheblich dadurch erschwert worden, dass die Ausrüstung so knapp war, erzählt Willing.
Auf der Intensivstation sei noch hinzugekommen, dass es eine hohe Fluktuation beim Pflegepersonal gegeben habe. Jeder fünfte Kollege sei erst im vergangenen Jahr ins Team gekommen. „Wir konnten alle Stellen nachbesetzen. Zu einem großen Teil mit jungen Kräften“, berichtet er. „Dass wir sie gerade in so schwieriger Zeit, die dem gesamten Team sehr viel abverlangt, gewinnen konnten, macht uns sehr dankbar.“ Das kann Sonja Spieker nur unterstreichen. „Man muss das Team mitnehmen und signalisieren, dass alle zusammenhalten und füreinander einstehen. Das läuft sehr gut im gesamten Haus mit allen seinen Abteilungen, nicht nur den medizinischen. Das gibt uns ein gutes Gefühl.“
Besonders die Kollegen auf der „Coronastation“ hätten bei der Behandlung der bis Ende Januar 206 bestätigten Covid19-Fälle im Brüderkrankenhaus großartige Arbeit geleistet. „Sie haben uns sehr viel Therapiearbeit abgenommen, die unter normalen Umständen auf der Intensivstation geleistet wird. Ohne sie hätten wir es hier nicht geschafft. Schließlich kommen die anderen Intensivpatienten hinzu“, sagt Willing. Deshalb sei die Station zweigeteilt, in einen Corona-Bereich, wo zum Höhepunkt der zweiten Welle am 4. Januar sieben Covid19-Patienten behandelt wurden, von denn fünf mechanisch beatmet wurden, sowie einen für die anderen Patienten.
Wünschen würden sich die Mitarbeiter mehr Zeit. „Wegen des Besuchsverbots sind wir derzeit auch ein bisschen Seelsorger und versuchen die Angehörigen aufzufangen, für die es schwer ist, nichts tun zu können“, sagt Sonja Spieker. Gerade, weil die Corona-Patienten so lange auf der Intensivstation bleiben, sei ihr Schicksal aber auch für Mitarbeiter berührend, ergänzt Mirka Schwöppe. „Einige Schicksalsschläge nehmen uns trotz aller Erfahrung mit, beispielsweise wenn Kollegen hier liegen. Wir hatten auch schon eine ganze Familie hier.“ Auch Sonja Spieker fehlt durch den Lockdown der Ausgleich von der fordernden Arbeit. „Das schüttelt man nach Feierabend nicht einfach ab.“ Trotzdem halten alle Drei den Lockdown im Moment noch für alternativlos. Und für die Zeit danach wünschen sie sich vor allem eines: dass die Wertschätzung für die Arbeit des Pflegepersonals auch über die Pandemie hinaus anhält.
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