Feierstunde zu 75 Jahren DGB im Rathaus Paderborn
DGB erinnert an Anfänge: „Wir hatten nichts“
Paderborn (WB). Nichts habe man gehabt, kein Papier, keine Bleistifte, kein Radiergummi, keinen Locher, erinnert sich Marite Schreiber an die schwierigen Anfangstage für den DGB im von Trümmern übersäten Paderborn. Aber eines tröstete sie und ihre Mitstreiter über alle Mängel hinweg: „Wir waren froh, dass wir Frieden hatten und die Nazis weg waren.“ Marite Schreiber ist die Tochter von Hermann Brockmann, der mit einer Gruppe Gleichgesinnter am 14. Oktober 1945 den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund in Paderborn gründete – in einer Stadt, in der es anders als im Ruhrgebiet keine gewachsene Arbeiterbewegung gab.
An den historischen Moment vor 75 Jahren und den Vorläufer des Dachverbands der Einzelgewerkschaften erinnerte der Deutsche Gewerkschaftsbund OWL am Mittwoch im Rathaus. Die Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kirche bekamen auf einem roten Teppich eine rote Nelke. Warum, erklärte anschließend die Geschäftsführerin des DGB OWL, Anke Unger.
Die Beschäftigten wollten nicht nur Geld, sondern auch Anerkennung für ihre Arbeit, und dafür stehe die rote Nelke, sagte sie. Der Kampf um auskömmliche Arbeitsplätze und um Anerkennung habe nichts von seiner Aktualität verloren. Unger verwies auf Erfolge der Gewerkschaftsarbeit in Paderborn. So sei im Bündnis mit den Kirchen durchgesetzt worden, dass die Stadt regelmäßig einen Armutsbericht vorlegt.
DGB sei ein „unverzichtbarer Teil der Demokratie“
Die Männer und Frauen der ersten Stunde hätten 1945 größten Wert auf eine freie Einheitsgewerkschaft gelegt, um die Zersplitterung in der Weimarer Republik nicht zu wiederholen und sich scharf von der faschistischen Deutschen Arbeitsfront abzugrenzen, betonte die DGB-Vorsitzende in NRW, Anja Weber, in ihrer Rede. Sozialdemokraten und christliche Demokraten hätten damals nach den traumatischen Erfahrungen der NS-Zeit segensreich zusammengewirkt und als Mahnung hinterlassen, „dass sich eine Gewerkschaftsbewegung nie wieder spalten lassen darf“. Der DGB sei ein „unverzichtbarer Teil der Demokratie“, sagte Weber und richtete den Blick auf die Corona-Pandemie: „Selten wurde so viel über die Bedeutung der Arbeit für jeden Einzelnen und die Gesellschaft nachgedacht wie jetzt.“
Millionen Menschen hätten durch das Virus ihren Job verloren oder seien auf Kurzarbeit gesetzt worden. Sie lernten „auf brutale Weise den Wert der Arbeit kennen“. Es sei das gute Recht der Menschen, auch in solchen Zeiten für ihre Rechte zu kämpfen und notfalls zu streiken, sagte Weber. So steckten zum Beispiel 17 Prozent der jungen Menschen in befristeten Beschäftigungen fest. Die bereits durch die Globalisierung und den Klimawandel angefachte Verunsicherung in der Bevölkerung werde durch Corona noch erheblich verstärkt. Dagegen helfe Solidarität.
Der DGB habe „entscheidend an der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Paderborns mitgewirkt“, den sozialen Frieden gestärkt und seinen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg geleistet, lobte der stellvertretende Bürgermeister Martin Pantke. Der Vorsitzende des DGB-Kreisverbandes Hochstift-Paderborn mit mehr als 25.000 Mitgliedern, Rudolf Bücker, blickte auf 1945 zurück. Damals sei es darauf angekommen, überhaupt erst einmal für Arbeit und Brot zu sorgen, heute gehe es um faire Arbeitsbedingungen und den Erhalt von Jobs.
Startseite