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Diethelm Krause, Vorsitzender des Kreissportbundes Paderborn, im Interview

Die Energiekrise und der Vereinssport im Kreis Paderborn

Paderborn

Die Parole heißt: Frieren für den Frieden, raus aus der gemütlichen Wohlstandskomfortzone. Die Politik schiebt die Verantwortung zur Lösung der Energiekrise weiter. Nach der Corona-Krise, die finanzielle Ressourcen aufgebraucht hat und noch immer nachwirkt, erzeugt die existenzbedrohende Energie-Krise angesichts massiv steigender Gas- und Strompreise nur Verlierer. 

Diethelm Krause, Vorsitzender des Kreissportbundes Paderborn, regt Lösungsmöglichkeiten an, die den organisierten Sport nicht beeinträchtigen. Foto: Kreissportbund Paderborn

Mittendrin: der organisierte Vereinssport. Wo sind Chancen, um einzusparen, wo Grenzen? WB-Sportredakteur Jörg Manthey unterhielt sich mit Diethelm Krause, dem Vorsitzenden des Kreissportbundes Paderborn.

Welche Auswirkungen auf den Sport in der Region und damit auf die Gesellschaft befürchten Sie im Winter? Wird es wieder zu einer Schließung von Sportstätten kommen? Ist das Worst-Case-Szenario eines Lockdowns für Sie reell?
Diethelm Krause: Durch die steigenden Energiekosten werden die Sportvereine hart getroffen. Nach der Corona-Pandemie wartet die nächste, noch viel größere Herausforderung auf die Vereine. Bereits jetzt zeigen sich erste Auswirkungen in den Sportstätten, wie beispielsweise das kalte Duschen, das Einsparen des Heizens, das Abstellen der Flutlichtanlage nach 22 Uhr und sogar die Schließung einiger Schwimmbäder. In Zusammenarbeit mit dem Landessportbund werden wir alles dafür tun, eine inakzeptable Schließung der Sportanlagen abzuwenden. Denn ich sage es ganz deutlich: Wir dürfen nicht am Sport sparen, sondern sollen durch den Sport sparen! Aktuell werden intensive Gespräche mit der Landesregierung und der Kommunalpolitik geführt. Ich bin optimistisch, dass der Sport auch in den kalten Monaten vernünftig fortgeführt werden kann, deshalb fordere ich die Kommunen im Kreis Paderborn dazu auf, energiebedingte Schließungen von Sportanlagen und Schwimmbädern zu vermeiden.

Der Deutsche Olympische Sportbund hat einen Maßnahmenkatalog mit „Empfehlungen zur Energiereduktion für Sportvereine“ veröffentlicht, um mindestens 20 Prozent Energie zu sparen. Etwa Abschalten der Warmwasserzubereitung für die Sportstätten oder Flutlichtanlagen, die nur das halbe Feld ausleuchten. Mehrfachnutzung von Hallen, Absenken der Wassertemperaturen in Schwimmbädern. Wird Ihnen da nicht angst und bange um die Perspektive, die Zukunft des Sports? Wo sehen Sie Möglichkeiten, wo sind Grenzen?
Krause: Nachdem vor kurzem endlich auch der organisierte Sport im neuesten Entlastungspaket berücksichtigt wurde, blicke ich optimistischer in die Zukunft. Mit dem LSB und der Landesregierung haben wir starke Akteure, die für die hohe gesellschaftliche Stellung des organisierten Sports unermüdlich kämpfen. Ich sehe Möglichkeiten in dem Einsparungsziel des DOSB und auch des LSB NRW. Wenn alle Vereine ihre Mitglieder sensibilisieren und zum Energiesparen aufrufen, sollte uns das ein ganzes Stück weiterbringen. Aber auch da sind Grenzen gesetzt, wenn es beispielsweise darum geht, Trainingszeiten anzupassen, auf Flutlichtanlagen zu verzichten oder Trainingseinheiten ausfallen zu lassen.

Nochmal zum Flutlicht, bekanntlich ein großer Stromfresser: In dem Moment, wo die Politik die komplette Abschaltung anordnet, um noch mehr zu sparen, können die Fußballvereine doch einpacken …
Krause: Es ist für uns keine Option, die Flutlichtanlagen komplett abzuschalten und so den Trainingsbetrieb der Fußballvereine einzustellen. Es ist ein Kompromiss, die Nutzung der Flutlichtanlagen anzupassen – aber mit Blick auf den Profifußball kann man es nicht vom Breitensport erwarten, dass es hier deutliche Einschränkungen geben wird. In der Vergangenheit wurde bereits damit begonnen, zahlreiche Flutlichtanlagen auf LED umzurüsten. Dies muss jetzt auch in Zukunft noch stärker in den Fokus rücken.

Die Lage ist prekär. Welche Hilferufe haben Sie schon erreicht? Was kann der Kreissportbund tun? Klar ist doch nur eins: Sport wird teurer. Empfehlen Sie den Vereinen, gerade denen mit eigenen Sportstätten, ihre Beiträge zu erhöhen, um die gestiegenen Kosten als Umlage an die Mitglieder weiterzugeben? Oder ist als Echo eine Austrittswelle zu befürchten, schließlich müssen auch die Privathaushalte den Gürtel enger schnallen?
Krause: Derzeit haben uns noch keine konkreten Hilferufe bezüglich Existenzbedrohung erreicht. Wir vom KSB kümmern uns selbstverständlich auch darum, unsere Vereine dafür zu sensibilisieren und ihre Finanzlage ständig zu überprüfen. Auch in Zukunft werden wir natürlich jegliche Möglichkeiten zur Unterstützung an unsere Vereine weitergeben. Die erhöhten Kosten können nicht vollständig über zusätzliche Mitgliedsbeiträge abgefangen werden, da die Mitglieder selbst von Inflation und steigenden Energiekosten im Privatbereich betroffen sind. Deshalb fordert der LSB NRW gemeinsam mit allen anderen Landessportbünden eine Deckelung der Energiekosten für allen Vereine, Bünde und Verbände. Die jetzige Krise unterscheidet sich damit grundlegend von der Corona-Krise, in der viele Privathaushalte finanziell nicht zusätzlich übermäßig belastet worden sind und in der die Mitglieder den Sportvereinen trotz Aussetzen des Vereinsangebots treu geblieben sind. In der jetzigen Situation werden Vereinsmitglieder ihre Mitgliedschaften und Kursteilnahmen kündigen, wenn es zu überproportionalen Beitragserhöhungen kommt.

Glauben Sie wirklich, dass es zum Sparen anregt, nach dem Sport in der Halle kalt zu duschen? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die Sportler hinterher verschwitzt nach Hause fahren und dort warm duschen?
Krause: Das ist für mich schwer zu beantworten. Es gibt sicherlich Personen, die lieber zu Hause im Warmen duschen, aber ich kann nur dazu appellieren, auch im privaten Haushalt Energie einzusparen. Mit der Maßnahme, die Duschen kaltzustellen, zeigt der Sport ein weiteres Mal, dass er keine Sonderrolle für sich beansprucht.

Der Spaßfaktor, in kühlem Wasser schwimmen zu müssen, dürfte sich insbesondere bei Kindern, bei Anfängern im Rahmen halten. Befürchten Sie, dass mit der Absenkung der Wassertemperatur in den Bädern die Nichtschwimmer-Generation weiter anwächst?
Krause: Auch hier muss eine Kompromisslösung gefunden werden. Nicht zuletzt durch die Pandemie ist insbesondere die Zahl der Nichtschwimmenden drastisch gestiegen. Wichtig ist, dass das Schwimmen im Verein- und Schulalltag bestehen bleiben kann. Eine Absenkung der Wassertemperatur ist bis maximal zwei Grad vertretbar.

In Corona-Zeiten sind Entlastungspakete geschnürt worden, um den gestressten Vereinen zu helfen. Welcher Härtefallmechanismus schwebt dem Landessportbund NRW in dieser Situation vor?
Krause: Wie bereits erwähnt, befindet sich der LSB derzeit in intensiven Gesprächen mit der Landesregierung. Darüber hinaus sind auch Gespräche mit VertreterInnen des Bundestages geführt worden. Das Ziel muss sein, ein entsprechendes Entlastungs- oder Soforthilfepaket für unsere Sportvereine bereitzustellen. Klar ist aber auch, dass alle Sportvereine die nötige Unterstützung von uns bekommen, um aus dieser Krise möglichst unbeschadet herauszugehen. Die Sportvereine, Bünde und Sportverbände brauchen eine spürbare finanzielle Entlastung, besonders nach den Einschränkungen von mehr als zwei Jahren Pandemie.

Wie können Kommunen, die den Großteil der Sportstätten wesentlich unterhalten, in die Lage versetzt werden, ihre sogenannten freiwilligen Leistungen aufrechtzuerhalten? In der Corona-Krise hat die Politik viele Fehler gemacht. Was rufen Sie Bund und Ländern jetzt zu?
Krause: Jetzt zu handeln und entsprechende Lösungsmöglichkeiten, die den organisierten Sport nicht beeinträchtigen, zeitnah vorzustellen! Ich kann nur nochmals dazu aufrufen, dass sich alle Experten zusammensetzen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Ich möchte gleichzeitig aber betonen, dass das Land NRW in der Corona-Zeit unseren Sportvereinen durch verschiedene Maßnahmen gute Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfen geboten hat.

Ein ungewisser Winter steht bevor. Vereine sind in Unruhe. Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes, hat bereits geunkt: Wenn keine Hilfen vom Land kommen, werden in NRW Sportvereine von der Landkarte verschwinden. Malen wir mal ganz schwarz. Ein Verein X kann seine Energiekosten nicht mehr decken, ist zahlungsunfähig und muss beim Amtsgericht Insolvenz anmelden? Muss in dem Fall nicht der Vorstand haften, mit seinem Privatvermögen?
Krause: Um genau dieses Szenario zu verhindern, bitte ich unsere Vereine eindringlich, sich bei einer drohenden Insolvenz schnellstmöglich beim Kreissportbund zu melden. Denn gemeinsam mit uns sowie mit Blick auf den Sportversicherungsvertrag, den der LSB NRW für alle Vereine abgeschlossen hat und in dem bereits zur Absicherung der meisten Vereinsvorstände eine D&O-Versicherung enthalten ist, werden wir hoffentlich eine solche Kuh rechtzeitig vom Eis bekommen …

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