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Universität Paderborn: EU fördert „MADE 3D“-Projekt mit 6,7 Millionen Euro

Forscher wollen 3D-Druck revolutionieren

Paderborn

Komplexe Bauteile in der Automobilindustrie sowie Luft- und Raumfahrt kommen heute aus dem 3D-Drucker. Das ist einfacher und günstiger, funktioniert aber bisher nicht für Bauteile aus unterschiedlichen Materialien. Das will die Uni Paderborn zusammen mit einem internationalen Forscherteam jetzt ändern.

Bei der Kick-off-Veranstaltung fiel im Januar der Startschuss für das Forschungsprojekt „MADE-3D“. Das internationale Team kam dafür im Y-Gebäude der Universität Paderborn in der Maschinenbauhalle zusammen.  Foto: Universität Paderborn, Jennifer Bounoua

Für die Industrie 4.0 – eine industrielle Revolution, die neben Digitalisierung auch auf innovative Produktlösungen angewiesen ist – spielt der 3D-Druck auch heute schon eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Fertigungsprozesse, Bauteile und Konstruktion ressourceneffizienter, schneller, langlebiger, effektiver, serientauglich, wettbewerbsfähig und gleichzeitig kostengünstig zu gestalten. Mit additiven Fertigungsverfahren (engl.: Additive Manufacturing, kurz AM), häufig auch 3D-Druck genannt, lassen sich nach Angaben der Uni Paderborn höchst komplexe Leichtbaukomponenten produzieren.

Die nächste Entwicklungsstufe im Bereich des metallischen 3D-Drucks bestehe nun in der Herstellung von Multimaterial-Bauteilen, bei denen zwei oder mehr Werkstoffe beliebig kombiniert werden können. Ein europaweites Forschungsteam, geleitet von der Universität Paderborn, will daher Industrieanwendungen für diese revolutionäre Technologie entwickeln. Additive Fertigung aus mehreren Werkstoffen mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften soll die industriellen Möglichkeiten auf das nächste Level heben. Ziel sei es, eine noch nie dagewesene Gestaltungsfreiheit für hochkomplexe (Leicht-)Bauteile zu ermöglichen. Dafür entwickelt das Projektteam innovative Multimaterial-Bauteile mit lokal zugeschnittenen mechanischen, elektrischen, thermischen und magnetischen Eigenschaften für Anwendungen in der Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt.

MADE-3D“ (Multi-Material Design using 3D Printing) – so der Name des Projekts – soll für die kommenden dreieinhalb Jahre mit rund 6,7 Millionen Euro im „Horizon Europe 2022“-Programm der Europäischen Union gefördert werden, so die Universität. Das Konsortium, bestehend aus Forschungseinrichtungen, Marktführern der additiven Fertigung, Luft- und Raumfahrt, Automobiltechnik und Start-ups, bringe ein breites Spektrum internationaler Expertise mit.

Das sind die Projektpartner

Die meisten Stähle lassen sich bisher kaum drucken

„Die Multimaterial-Fertigung durch 3D-Druck steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Die fehlenden Materialkombinationen sind die größte Herausforderung, die den Durchbruch dieser Technologie behindern. Durch ‚MADE-3D‘ soll sie einen großen Sprung nach vorne machen“, betont Projektkoordinator Prof. Dr. Thomas Tröster, Leiter der Fachgruppe Leichtbau im Automobil (LiA) sowie Vorsitzender des Instituts für Leichtbau mit Hybridsystemen (ILH) und des Instituts für Additive Fertigung (PIAF) der Universität Paderborn.

Zwar ließen sich durch additive Fertigung Bauteile heutzutage fast grenzenlos individualisieren und verschiedene Funktionen in einem einzigen Druckprozess integrieren. Jedoch braucht es dafür geeignetes Material. Die bis dato verwendeten Werkstoffe genügen den vielschichtigen Anforderungen aufgrund ihrer homogenen Materialeigenschaften nicht. Es sei bisher problematisch, Biegsamkeit, Temperaturstabilität und magnetische Eigenschaften in einem Teil zu vereinen. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Stähle und Legierungen wegen Rissbildungen nicht gedruckt werden könne. Dieses Problem sei noch ausgeprägter, wenn zwei oder mehr Materialien additiv miteinander verbunden werden sollen.

Hier setze das internationale Expertenteam an. Gemeinsam wollen die Wissenschaftler die Leistung von Multimaterial-Bauteilen bedeutend steigern sowie Gewicht erheblich verringern, um neue Möglichkeiten des Leichtbaus zu schaffen. „Unser Ziel ist es, durch die Projektergebnisse eine erhöhte Prozesssicherheit und -geschwindigkeit in der additiven Multimaterial-Fertigung zu erreichen und damit diese innovative Technologie weiter zu industrialisieren“, betont Prof. Dr.-Ing. habil. Mirko Schaper, Inhaber Lehrstuhls für Werkstoffkunde (LWK) an der Universität Paderborn und Co-Leiter des Projekts.

Materialeigenschaften werden mit künstlicher Intelligenz vorhergesagt

Die Arbeit beginnt dabei noch vor dem Druck. „3D-Druck-Materialien werden bisher nahezu vollkommen empirisch durch eine Vielzahl von Experimenten entwickelt. Das ist nicht nur kostspielig, sondern auch zeitintensiv“, erklärt Schaper. Daher setzt das Team auf ein systematisches computerbasiertes Materialdesign. Das Besondere: Für den jeweiligen Anwendungsfall werden die gewünschten Werkstoffeigenschaften in Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung berechnet und vorausgesagt. Für jeden Multimaterial-Kandidaten wird dann innerhalb von zwei bis drei Iterationen eine Materialkombination erstellt, die als Blaupause für vielzählige weitere Applikationen dienen kann. Der Einsatz von maschinellem Lernen in der Prozessentwicklung soll zu kürzeren Entwicklungszyklen führen und die Digitalisierung der Prozesskette vorantreiben.

Der Weg vom Pulver zum Bauteil führt dann über zwei Technologien des additiven Fertigens. Durch Selektives Laserschmelzen (engl.: Laser Powder Bed Fusion, kurz L-PBF) und Laserauftragschweißen (engl.: Direct Energy Deposition, kurz DED) werden die zerstäubten Multimaterial-Kombinationen lokal und gezielt verteilt in 3D gedruckt, sodass hochqualitative Bauteile entstehen.

Anwendungen für die Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie

Das Projektteam will die innovativen Ansätze in fünf Anwendungsfällen im Bereich der Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie testen. Dabei seien die Ziele klar definiert: Durch die Verarbeitung verschiedener Materialien soll das Gewicht einzelner Teile um bis zu 50 Prozent im Vergleich zu derzeit verwendeten Komponenten reduziert werden – durch Materialersatz (Verwendung leichterer Metalle) und deren Herstellung durch AM (d. h. weniger Materialverbrauch und Individualisierbarkeit der Funktionen). Ganz konkret arbeiten die Forscher unter anderem daran, Antriebssysteme in der Luftfahrt leichter zu gestalten, um sowohl Kosten zu sparen als auch einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit zu machen. Außerdem wollen sie die Leistung von Elektromotoren durch den Einsatz von Materialkombinationen, die eine bessere Magnetplatzierung und Ausrichtung des magnetischen Flusses ermöglichen, optimieren. Die Projektergebnisse sollen später auf viele andere Sektoren, wie Gesundheit und Energie, übertragbar sein.

Nachhaltigkeit in Produktion, Nutzung und Recycling

„Die Methode der additiven Fertigung ermöglicht erhebliche Energie- und Ressourceneinsparungen während der Produktion. Auch bei der Verwendung der Leichtbauteile, beispielsweise in Verkehrsmitteln, ist weniger Energie unter anderem für die Beschleunigung erforderlich. Zudem testen wir verschiedene Verfahren im Hinblick auf die Trennungseffizienz der hybriden Bauteile, um Materialmischungen bestmöglich recyceln zu können. Durch unsere neuen Methoden sollen bis zu 99 Prozent des verwendeten Materials wiederaufbereitet werden können“, erläutert Tröster.

Erste Projektergebnisse werden in sechs Monaten erwartet.

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