Deutlicher Rückgang beim Eigenheimbau erwartet
Paderborner Baustoffhändler Ulrich Happe kritisiert hohe Auflagen
Paderborn
Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen wird im Kreis Paderborn weiter kräftig gebaut. „Vor allem der Investitionsbau läuft auf ordentlichem Niveau“, stellt der heimische Baustoffhändler Ulrich Happe fest.
Auch die Best Ager (Generation 50+) investierten derzeit in die eigenen vier Wände. Düster sehen seiner Meinung nach aber die Prognosen für Familien aus, die sich den Traum vom Eigenheim erfüllen wollen. Hier erwartet er einen deutlichen Rückgang.
„Familien schaffen es heute kaum noch, ein Haus mit dem eigenen Verdienst zu finanzieren“, sagt Happe. Einer der Gründe seien die enorm hohen Auflagen an das nachhaltige, energetische Bauen bei gleichzeitig fehlenden klaren Angaben.
Happe erläutert das Dilemma aus seiner Sicht: „Wir verwenden heute zum Bauen immer noch den gleichen Kalksandstein und den gleichen Stahl wie vor Jahrzehnten. Nur, dass heute teilweise der Einsatz von Stahl übertrieben wird. Wir verwenden heute Beton mit höherwertigeren Zementen, die bei der Produktion einen höheren CO₂-Ausstoß verursachen. Und jetzt kommt die Politik und schreibt vor, dass CO₂-neutral gebaut werden soll, obwohl wir keine anderen Baustoffe zur Verfügung haben.“
Der Unternehmer macht das auch am Beispiel der verwendeten Dämmmaterialien deutlich: Heute werde – wie auch schon vor 20 Jahren – mit Poresta und extrudierten Schäumen abgedichtet. „Die Politik tut so, als sei die Welt neu erfunden worden. Das ist aber nicht der Fall“, sagt Happe. Das Problem für den Baustoffhändler: „Es soll unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit gebaut werden, obwohl die Baustoffe sich nicht verändert haben. Für mich bedeutet nachhaltig, wenn es in die nächste Generation wirkt. Leider wird der Begriff aber inzwischen überall inflationär verwendet – auch im Baustoffhandel – ohne zu wissen, was damit gemeint ist.“
Sonderseiten
Die Entwicklung treibe einige Stilblüten, berichtet der Experte. So gebe es in den Niederlanden vertragliche Vereinbarungen, dass die beim Bau verwendeten Stahlträger nach 50 Jahren für die Wiederverwendung verkauft würden. „Das ist an den Haaren herbei gezogen“, kritisiert Ulrich Happe. Der Einsatz von Grünfassaden, die mit Moosen bewachsen seien, sei ja löblich. Aber wie passe das zum übrigen Verhalten der Verbraucher, die zum Teil mehrfach im Jahr in den Urlaub fliegen und dabei Unmengen an CO₂ produzieren, fragt der Unternehmer.
Happe kritisiert Normen
Auch den Einsatz von bestimmten Dämmmaterialien, die aus Sicht der Politik nachhaltig seien, stellt Ulrich Happe infrage, weil die Kriterien nicht nachvollziehbar seien. Beispiel: Für die Wanddämmung werde in Ziegelsteinen Perlit oder auch Steinwolle eingeblasen, um einen höheren Wärmedämmwert zu erreichen. Perlit sei nachhaltig, weil der enthaltene Kalk wieder verwendet werden könne. Steinwolle sei nicht nachhaltig, weil sie nicht wiederverwendet werden könne. Allerdings habe sie einen viel höheren Wärmedämmwert. Diese Normen seien nicht nachvollziehbar.
Happe fordert die Politik auf, dass das, was sich über Jahrzehnte bewährt hat, als richtig erklärt und anerkannt wird. Das gelte auch für den Einsatz von Baustahl, der seiner Meinung nach immer stärker übertrieben werde. Der Bestand Jahrzehnte alter Bauwerke zeige doch, so Happe, dass man früher nicht falsch gebaut habe.
Angesichts des wachsenden Wohnraumbedarfs müsse die Politik dringend handeln. Anfang Februar 2023 hatte der Unternehmer die Kommunen im Kreis Paderborn aufgefordert, das Thema Erbpacht auf die Agenda zu nehmen, um Familien den Hausbau finanziell erträglicher zu machen. Unter anderem in Hövelhof und Paderborn hatten einzelne Parteien die Forderung zur Diskussion gestellt.
Anders als beim Grundstückskauf wird keine Einmalzahlung geleistet, sondern an die Kommune eine jährliche Pacht gezahlt – befristet auf 99 Jahre. Happe hält im ländlichen Bereich eine Höhe von 500 bis 600 Euro für angemessen, in der Stadt Paderborn schlägt er 1000 Euro vor, „damit junge Familien ans Bauen kommen“. Die politische Entscheidung werde sicher Zeit benötigen. „Die haben wir aber. Wichtig ist vor allem, dass die Kommunen weiter Neubaugebiete ausweisen. Die Kommunen sollten den Familien ein lebenswertes Leben ermöglichen“, betont der Unternehmer.
Aktuell seien zwei Trends spürbar: Im Investitionsbau werde derzeit gespart, wo es gehe. Und im Bereich Garten sei es nach dem riesigen Corona-Effekt deutlich ruhiger geworden.
Auch auf das Megathema Heizen geht Happe ein, der neben dem Baustoff- auch einen Mineralölhandel betreibt. Größtes Ärgernis für die Verbraucher sei, dass Wärmepumpen derzeit nicht oder nur teilweise lieferfähig seien. Auch vor diesem Hintergrund rät er jedem Investor, der neu bauen möchte, einen Schornstein ins Gebäude bauen zu lassen – auch dann, wenn das Mehrkosten von rund 2500 Euro verursache. „Wer als Bauherr auf einen Schornstein verzichtet, denkt zu kurz.“
Happe betont, dass es für die nächsten 100 Jahre genügend Erdöl geben wird. Er vermisse vor diesem Hintergrund, dass man sich nicht intensiver mit dem Thema Ölheizung befasse, sondern deren Abschaffung beschließe. Wer seine Öl- oder auch Gasheizung mit einer Filter-/Abgasreinigungs- und einer Photovoltaikanlage für die Stromerzeugung (Warmwasser) kombiniere, handele auch weiterhin umweltverträglich, meint Happe. Die aktuelle Debatte sorge vor allem für eins: maximale Verunsicherung.
Wie hat sich der Ölverbrauch in den vergangenen Monaten bei den Verbrauchern entwickelt? Durch den milden Winter habe sich in den vergangenen Monaten die Lieferfrequenz reduziert, berichtet der Unternehmer. Aktuell sei die Nachfrage wieder hoch – die Haushalte befüllten die Tanks. Aktuell liege der Preis bei 86 Cent je Liter – so hoch wie vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine.
Der Paderborner Unternehmer stellt unterm Strich fest: „Derzeit sind Investoren nicht zu beneiden.“ Sowohl bei der Preisentwicklung, als auch angesichts der vielen politischen Unklarheiten.