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Es sind sogar fünf: Weitere Lackmann-Mitarbeiterin will Sachkundige Bürgerin in Paderborn werden

Kritik an „Windkraft-Lobby“

Paderborn

Dass mehrere Mitarbeiter des Paderborner Unternehmens Westfalenwind von der FBI/Volt-Fraktion als sachkundige Bürger nominiert worden sind, ruft nicht nur in der Politik Kopfschütteln hervor. Die Nachricht sorgte am Dienstag auch in den sozialen Medien für heftige Diskussionen.

Ingo Schmitz

Das Paderborner Rathaus. Foto: Jörn Hannemann

Darüber hinaus wurde bekannt, dass es neben den vier Westfalenwind-Angehörigen noch eine weitere Sachkundige Bürgerin gibt, die offenbar eine große Nähe zu Windkraft-Pionier Johannes Lackmann hat: Sabine Regenbrecht, die von FBI/Volt für den Kulturausschuss benannt worden ist, fungiert als Projektmanagerin bei dem Unternehmen Phymetric. Dessen Inhaber und Geschäftsführer ist nach Auskunft der eigenen Internetseite ebenfalls Johannes Lackmann.

Zusammen mit dem Unternehmensgründer, dessen Sohn Dr. Jan Lackmann sowie Sonya Harrison und Daniel Saage sind also fünf Angehörige aus dem Windkraft-Umfeld als beratende Mitglieder von FBI/Volt für die Ausschüsse vorgeschlagen worden. Manche politische Vertreter sprechen von einem „Skandal“ und verurteilen die offenkundige Nähe zu „Windkraft-Lobbyisten“. Die Stadt Paderborn sieht allerdings weiterhin keine Möglichkeit, den Besetzungsvorschlag zu verhindern.

Am Donnerstag wird die Vorschlagsliste den Mitgliedern des Haupt- und Finanzausschusses vorgelegt. Mehrere Ratsfraktionen planen, so Stephan Hoppe (FÜR Paderborn), sich bei der Abstimmung zu enthalten. Nach Auskunft des Ersten Beigeordneten der Stadt Paderborn, Carsten Venherm, sei dies in diesem Fall wohl die „höchste Form der Ablehnung“.

SPD-Fraktionschef Franz-Josef Henze sagte: „Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist moralisch richtig.“ Auch wenn die Angehörigen des Unternehmens Westfalenwind kein Stimmrecht in den jeweiligen Ausschüssen besäßen, so seien sie doch im Zugriff auf öffentliche und nicht-öffentliche Unterlagen. Henze: „Das hat mehr als ein Geschmäckle“. Es handele sich bei Windkraftthemen schließlich um einen kommunalpolitisch sehr stark diskutierten Bereich mit einer großen Lobby auf beiden Seiten. Zudem zeigt sich Henze auch deswegen überrascht, weil sich die FBI in der Vergangenheit oftmals mit Positionen gegen die Windkraft aufgestellt habe. Er forderte FBI/Volt auf, ihren Plan noch einmal zu überdenken.

1. Beigeordneter Venherm erläuterte auf Anfrage, dass laut Gemeindeordnung NRW für Sachkundige Bürger lediglich der Erstwohnsitz im Stadtgebiet und das Mindestalter von 18 Jahren zu erfüllen seien. Weitere Voraussetzungen gebe es nicht. Es gebe keine Möglichkeit, ihnen nicht öffentliche Informationen vorzuenthalten. Venherm: „Sie sehen in ihrem jeweiligen Ausschuss das, was auch Ratsmitglieder sehen.“ Sie seien zur Verschwiegenheit verpflichtet und dürften ihr Wissen nicht für berufliche Zwecke nutzen. Es sei fraglich, so mehrere Kritiker, dass sich das im vorliegenden Fall trennen lassen werde. Sollten wirtschaftliche Vorteile entstehen, müssten sie nachgewiesen werden, so Venherm. Einen Fall wie diesen, dass sich gleich mehrere Personen eines Unternehmens aufstellen ließen, sei ihm bislang nicht bekannt.

„Politik braucht Sachkunde“

Thorsten Mertens über seine ehemalige Tätigkeit im Bauausschuss

Mertens arbeitet seit 1989 in der Geschäftsführung des Spar- und Bauvereins Paderborn. Auch er war einige Jahre als sachkundiger Bürger in Ausschüssen für die CDU tätig. Er hält Sachkunde in der Politik für zwingend erforderlich, sieht aber auch die Gefahr, dass es schnell zu Berührungspunkten zwischen Politik und Beruf kommen kann.

Der Diplom-Volkswirt war nach eigenen Angaben zunächst Mitglied im Sportausschuss. Anschließend wechselte er in den Bau- und Planungsausschuss der Stadt Paderborn. Sein Interesse habe immer der Stadtentwicklung gegolten, sagte Mertens auf WV-Anfrage. Im Laufe der vergangenen Legislaturperiode schied er aus eigenem Antrieb, so Mertens, aus dem Bau- und Planungsausschuss aus.

Gegenüber dieser Zeitung erklärte der Wohnungsmarkt-Experte, dass er penibel auf die Trennung zwischen beruflicher und politischer Tätigkeit geachtet habe. Soweit es im Vorfeld nur annäherungsweise Hinweise gegeben habe, dass Interessen des Spar- und Bauvereins tangiert sein könnten, habe er reagiert: „Ich habe mich immer umgehend aus dem jeweiligen Thema herausgezogen und mich im Ausschuss vertreten lassen“, erklärte der Geschäftsführer dieser Zeitung.

Der Grund, warum er sein Amt als sachkundiger Bürger letztlich niedergelegt habe, sei das Thema Städtische Wohnungsbaugesellschaft gewesen. „Mir war frühzeitig klar, dass ich dabei nicht zur Verfügung stehen kann und habe letztlich die Konsequenzen gezogen“, berichtete er.

Grundsätzlich, so Mertens, sei es aus seiner Sicht sehr zu begrüßen, wenn in der Politik allgemein – insbesondere aber auch in der Kommunalpolitik – Sachverstand vertreten sei. „Ich fordere diesen Sachverstand auch ein“, betonte Thorsten Mertens. Man müsse aber stets – egal ob Ratsherr oder als Sachkundiger Bürger – darauf achten, dass dabei nicht ethische Grundsätze verletzt würden.

Letztlich könne sich wohl kaum jemand, der Sachkunde habe, von Interessen freisprechen. Deswegen die Sachkundigen Bürger grundsätzlich in Frage zu stellen, sei aber wohl die falsche Entscheidung.

Thorsten Mertens. Foto: Ingo Schmitz
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