„Drums’n’Percussion“: Ian Paice hat seit März kein richtiges Konzert mehr gespielt
Neubeginn in Paderborn
Paderborn (WB). Für Ian Paice ist es eine „crazy time“. Er möchte, kann aber nicht auftreten. „Wir müssen etwas tun, weitermachen, versuchen, ein normales Leben zu führen“, sagte die mittlerweile 72-jährige Schlagzeugerlegende von Deep Purple am Freitagabend.
Die Sticks, die Trommelstöcke, sollten sprechen – und das durften sie beim Festival „Drums’n’Percussion“ im Heinz-Nixdorf-Museumsforum ausgiebig. Dessen Star Ian Paice gestaltete eines der Doppelkonzerte. Im ersten um 18 Uhr war er plötzlich auf sich alleingestellt, denn der Kontakt zum US-Schlagzeuger Chester Thompson, der in Kalifornien live zugeschaltet wurde, brach unvermittelt ab. Was tun? Natürlich setzte sich Ian Paice hinter sein Schlagzeug, aber zwischendurch beantwortete er immer wieder auch Fragen der Zuhörer. Und so ermöglichte der Abend nicht nur Einblicke in das überragende musikalische Können des Altmeisters, sondern auch in dessen Denken und Seele.
Ian bekommt mit 15 sein erstes Schlagzeug
Einen Schlagzeuglehrer habe er nicht gehabt, erzählte der Engländer: „Die Schlagzeuger meiner Generation haben bei anderen zugeguckt, zugehört und sie kopiert.“ Und dann hätten sie ihre Kreativität eingebracht und einen eigenen Stil entwickelt. Heute seien Schlagzeuger nach ihrer Ausbildung technisch besser als die Veteranen, würden aber fast identisch klingen. Ian Paice: „Jeder Schlagzeuglehrer nutzt dasselbe Lehrbuch.“ Der beste Lehrer sei derjenige, der seinen Schüler nicht dazu bringen wolle, so zu klingen wie er selbst. Auf Spaß und Kreativität komme es beim Schlagzeugspielen an, betonte Ian Paice immer wieder: „Jeder kann einen Elton-John-Song spielen, aber nicht jeder kann einen Elton-John-Song schreiben.“
Als der Vater dem damals 15 Jahre alten Ian das erste Schlagzeug schenkte, stellte er, ohne es zu ahnen, die Weichen für eine beeindruckende Karriere. Inspiriert vom Bigbandsound und den Platten des Vaters, stellte der Junge die Violine in die Ecke, griff zu den Stöcken und hat sie bis heute nicht wieder aus den Händen gelegt.
Bei den Hardrockveteranen von Deep Purple sorgt er seit Jahrzehnten für das Fundament ihres druckvollen Sounds. Als einziger Musiker der britischen Band, die mit Alben wie „In Rock“ Musikgeschichte schrieb und gerade erst mit dem rockig-melodischen „Whoosh!“ einen Hitparadenstürmer veröffentlicht hat, wirkte der Mann aus Nottingham an allen Alben mit. Unüberhörbar ist das nicht nur bei „Smoke on the Water“, „Child in Time“ und „Fireball“, das er mit zwei Bassdrums eintrommelte.
Ian Paice spielt linkshändig und schnell
Ian Paice spielt als einer von wenigen linkshändig und er spielt schnell. Vor sieben Jahren war er zum ersten Mal bei „Drums’n’Percussion’. Mit Pete York (Spencer Davis Group) habe er damals viel gelacht, erinnerte er sich. Statt sich die Stadt anzuschauen, habe er viel getrunken und gegessen. Und natürlich Schlagzeug gespielt – so wie jetzt am Freitagabend.
Er spielte den Schlagzeugrhythmus zu „Smoke on the Water“, Samba im Gewand der Rockmusik, Swing und auf einer Snaredrum wie der Trommler einer Militärkapelle. Und das tat er stets mit „Fun“, mit Spaß also, der für ihn über allem steht. Seit seiner Jugend stehe die Freude am Trommeln im Mittelpunkt, und so sei er auch kurz vor einem Konzert nicht nervös, „denn ich will ja auf die Bühne“.
„Drums’n’Percussion“ 2020 war für Ian Paice eine Art Neubeginn, denn seit März hat er kein richtiges Konzert mehr gespielt. Sich nur mit Schlagzeugern zu treffen und sich auszutauschen, genießt er. Die hätten keine übergroßen Egos, da kämen keine Aggressionen auf. Paice weiß, wovon er spricht. Die Gitarren-Diva Ritchie Blackmore hat Deep Purple mehrfach an den Abgrund geführt. Im Gegensatz zu Blackmore ist Paice „not a fanatical musician“, wie er selbst sagt.
Publikum hört gebannt zu
Natürlich erzählte der sympathische Altmeister, der sich für jede Frage aus dem ihm gebannt zuhörenden Publikum bedankte, über Deep Purple, über seine musikalische Familie. Den einen Songwriter gebe es nicht, die Lieder entstünden beim gemeinsamen Jammen. Und den „besten Auftritt seines Lebens“ hatte er bei der ersten US-Tour auf einem Festival in San Francisco. Da habe ihm der Sänger von Canned Heat einen Joint aufgeschwatzt und er gespielt wie im Rausch. Seine Band wunderte sich gleichwohl und fragte ihn hinterher, warum er das ganze Konzert über im selben Tempo gespielt habe...
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