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Henrike Dominicus hat ihre Galerie in Paderborn in zentraler Lage und trotzdem keine Perspektive

Niemand darf zu ihr herein

Paderborn

In der Metzgerei gegenüber herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Die Paderborner kaufen Wurst und Rinderfilet. Bei Henrike Dominicus dürfen sie dagegen keine Kunst erwerben. Und das versteht die Paderborner Galeristin nicht.

Dietmar Kemper

Wann darf Henrike Dominicus ihre Galerie wieder öffnen? Zum Glück muss die freischaffende Künstlerin keine hohe Miete für den Raum im Schildern zahlen. Foto: Oliver Schwabe

Seit sie Anfang November die Galerie „Kunst an die Wand“ im Schildern wegen der Corona-Pandemie schließen musste, gehe „gar nichts“ mehr, sagt sie ernüchtert. Im Gegensatz zur Metzgerei darf in ihre Galerie niemand hinein, dabei könnte sie auf den knapp 70 Quadratmetern problemlos den Mindestabstand einhalten. „Eine Galerie wird ja ohnehin nie so stark frequentiert wie andere Läden“, sagt Henrike Dominicus.

Kultur gilt nicht als systemrelevant, deshalb mussten in NRW neben Galerien auch die Museen und das Theater erneut schließen. Andere Geschäfte, und nicht nur Metzgereien und Supermärkte, können aufbleiben und zum Beispiel edle Liköre und teures Olivenöl anbieten, bei denen so mancher, ähnlich wie bei Kunstwerken, an Luxus denkt.

Im September hatte Henrike Dominicus die Galerie eröffnet. Vorher waren dort ein Telekom-Laden und das Hütegeschäft der Geschwister Püttmann untergebracht. Die Räume gehören der Tante von Henrike Dominicus. Sie verlangt nur eine geringe Miete. Das ist schön, ändert an den wegbrechenden Einnahmen aber nichts. „Wir haben im Moment keine Perspektive“, gruselt es Henrike Dominicus.

Die Galerie betreibt sie mit Helga Freitag. „Im September hatten wir einen so guten Zulauf, der Verkauf war super“, blickt Henrike Dominicus zurück. Im Schnitt alle zwei Wochen ging ein Bild weg, aber jetzt können die Kunstfreunde nur noch ins Schaufenster und Ladeninnere schauen. Die Galeristin hofft, dass Liebhaber abstrakter Kunst beim Blick hinein auf den Geschmack kommen und sich per Telefon oder E-Mail bei ihr melden.

Henrike Dominicus ist die Urenkelin des bekannten Paderborner Architektur-, Landschafts- und Bildnismalers Josef Dominicus. Er starb 1973 und hinterließ Bilder wie das vom Dom mit dem Michaelskloster in bunten, leuchtenden Farben in Öl auf Leinwand. Seine 43-jährige Urenkelin verzichtet auf Gegenständliches. „Ich male abstrakt mit Acryl. Meine Bilder sind Geschichten für die Augen“, sagt die freischaffende Künstlerin. Welche Geschichten ihre Bilder erzählen, das sollen die Betrachter selbst entscheiden.

Gleichwohl liebt die Mutter zweier Kinder das Diskutieren über Kunst. Das Internet sei kein Ersatz für den Austausch von Angesicht zu Angesicht. „Die Menschen möchten die Bilder live sehen, vor ihnen stehen“, sagt sie und bedauert um so mehr, dass sie ihre Galerie nicht öffnen darf, ihren „bunten Fleck“ in zentraler Lage, wo in normalen Zeiten jeden Tag hunderte Menschen in Richtung Dom oder Westernstraße gehen.

Ursprünglich wollten sich die Paderborner Galeristen in der Vorweihnachtszeit zusammenschließen und sich Kunstfreunden in Form einer gemeinsamen Route samt Glühwein vor Ort vorstellen. Corona ließ das nicht zu. Die Pandemie beschäftigt Künstler aber nicht nur finanziell. „2020“ hat Henrike Dominicus ihr rot-grün gehaltenes Werk genannt, auf dem die Farbe Rot die Viruszellen symbolisiert und die Farbe Grün die Hoffnung, dass der Schrecken bald ein Ende haben wird.

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