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Konferenz über die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs in Paderborn

Parkgebühren sind der Hebel

Paderborn (WB). Wie lässt sich die Zahl der Bus- und Bahnfahrer in der Stadt und dem Kreis Paderborn steigern? Indem man die Menschen durch hohe Parkgebühren zum Umsteigen zwingt. Das war eine Erkenntnis der ÖPNV-Konferenz am Montagabend im Kreishaus. Demnach sind auch günstige Jahreskarten, die möglichst nicht mehr als 365 Euro kosten sollten, ein erfolgversprechendes Instrument.

Dietmar Kemper

Frauen und Männer warten an der Haltestelle unterhalb des Westerntores auf Busse, die zum Beispiel in Richtung des Neubaugebietes Springbach Höfe fahren. Foto: Jörn Hannemann

Die Stadt Paderborn betreibe „Sozialismus mit Westgeld“, sagte Gerd Probst von der

Dresdener Beratungsgesellschaft Probst und Consorten. Die Stadt begünstige Autofahrer, indem sie unter den Kommunen mit vergleichbarer Größe die niedrigsten Parkgebühren verlange. „In Innsbruck kostet das Parken das Fünf- bis Sechsfache“, betonte Probst. Die höheren Einnahmen nutze die österreichische Stadt dazu, den öffentlichen Personennahverkehr zu verbilligen.

Jahreskarte war plötzlich wahnsinnig gefragt

Als der Preis der Jahreskarte dort auf 333 Euro gesenkt worden sei, habe sich die Zahl der Besitzer schlagartig verdoppelt, und inzwischen besäßen 43 Prozent der Senioren so ein Ticket, berichteten Probst und sein Kollege Chajim Meinhold in ihrem mit Fallbeispielen angereicherten Vortrag. Um die Einwohner dauerhaft in Bussen und Bahnen zu halten, verteuerte Innsbruck gleichzeitig die Einzeltickets deutlich.

Als mögliches Vorbild für Paderborn erwähnte Gerd Probst Regensburg. Dort wurde eine Tageskarte für eine Person in eine für zwei Personen umgewandelt. Paare konnten plötzlich zu einem unschlagbar günstigen Preis mit dem Bus fahren, die Nachfrage und Erlöse stiegen deutlich an.

Für nachahmenswert hält die auf den ÖPNV spezialisierte Unternehmensberatung außerdem das Mieterticket der Verkehrsgesellschaft Kreis Unna (VKU). Hier erhält jeder neue Mieter, der eine Wohnung bei der Unnaer Kreis-, Bau- und Siedlungsgesellschaft bezieht, ein Monatsticket der Preisstufe A. Helfen könnten auch ÖPNV-Fahrtkostenzuschüsse der Arbeitgeber, wie dies Unternehmen in Stuttgart bereits zahlreich beherzigten.

Lob für das Sozialticket

Nun ist es aber nicht so, dass die Stadt und der Kreis Paderborn beim ÖPNV völlig rückständig wären. Die Experten lobten zum Beispiel die Einführung des Sozialtickets, des Seniorentickets und des Padertickets Basis. Kostenloses Busfahren am ersten Samstag eines Monats, wie in Paderborn geplant, sehen sie eher als zu kurz gesprungen an.

Ohnehin warnen die Experten vor der Erwartung, dass durch günstige Tickets oder Freifahrten die Menschen massenweise den ÖPNV nutzen würden. „Der Marktanteil von Bahn und Bussen geht leicht zurück“, sagte Gerd Probst. Hoffnung mache, dass junge Leute zunehmend bereit seien, aufs Auto zu verzichten. Und noch etwas sollten die Bürgermeister und Vertreter der Verkehrsunternehmen, die sich zur Konferenz trafen, bedenken: Mehr Busse und Fahrer herbeizuschaffen wird dauern.

Fiedler: „Ruf nach günstigen oder kostenlosen Tarifen wird immer lauter“

Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Lothar Holger Fiedler von der Kanzlei BBG und Partner, riet dazu, den ÖPNV gemeinwirtschaftlich zu organisieren, statt ihn in die Hände von Privatunternehmen (eigenwirtschaftlich) zu geben. „Der Ruf nach günstigen oder kostenlosen Tarifen wird immer lauter, es ist fast nicht mehr möglich, einen Verkehr eigenwirtschaftlich auskömmlich zu finanzieren“, betonte er.

Bei einer gemeinwirtschaftlichen Organisation hat der Aufgabenträger mehr Einfluss auf die Tarife. Gleichzeitig müsste der Kreis Paderborn aber auch eigenes Geld zuschießen. Die Kreisumlage für die Kommunen würde steigen. Fiedler gab ebenfalls zu bedenken: Wenn einzelne Kommunen Tarife verändern wollten, könnten sie das auf Antrag theoretisch tun, aber dadurch dürfe der übergeordnete Westfalentarif nicht unterlaufen werden.

Der Kreistag hat den Wechsel von der Eigen- zur Gemeinwirtschaftlichkeit beschlossen. Landrat Manfred Müller betonte, der Takt, in dem Busse und Bahnen fahren, sei „noch nicht ausreichend, um ganz ohne Auto auszukommen“. Den ÖPNV attraktiver zu machen, stelle einen Beitrag zum Klimaschutz dar und erhöhe zudem den Wert von Immobilien auf dem Lande.

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