Prozessbeginn vor dem Landgericht – nach Festnahme in Bad Oeynhausen
Porsche-Diebe sollen auch Netto-Markt in Paderborn überfallen haben
Paderborn/Bielefeld/Bad Oeynhausen
Was in den Köpfen mancher junger Männer vorgeht, erscheint erfahrenen Prozessbeobachtern eher als „ein Nichts“. Ein Beispiel für ein solches „Nichts“ ist vielleicht die Tat, die derzeit vor der großen Jugendkammer des Landgerichts verhandelt wird: Zwei junge Männer rauben zuerst ein Auto und fahren nach ein paar Tagen „Rumgegurke“ durch ganz Deutschland damit zum Überfall auf einen Supermarkt in Paderborn.
Dabei ist der Raub im Netto-Markt in der Jahnstraße am 15. Oktober 2021 nicht das beklagenswerte Ende der an juveniler Planlosigkeit reichen Geschichte, sondern eher ein unrühmlicher Höhepunkt. Das finale Desaster ereignete sich in Bad Oeynhausen drei Tage später, als die Polizei im Zuge einer spektakulären Verfolgungsjagd das Fluchtfahrzeug rammte – und alle Beteiligten endgültig aus dem Verkehr zog.
Angefangen hatte die Sache damit, dass die beiden Männer aus Bielefeld und Oelde (jetzt 22 und 21 Jahre alt) am 14. Oktober in Hamm-Rhynern den weißen Porsche Cayenne einer 26 Jahre alten Frau raubten – maskiert und mit vorgehaltenen Schreckschusspistolen. Um das Auto zu Geld zu machen, man versprach sich 40.000 Euro, wollten sie damit nach Polen fahren, brachen aber ihr Vorhaben in der Nähe von Berlin ab und kehrten nach Ostwestfalen-Lippe zurück – mutmaßlich, um damit dann am Tag darauf in der Paderborner Innenstadt aufzutauchen und dort den Netto-Markt zu überfallen.
In Bad Oeynhausen ist Endstation
Auf der Flucht kurvten sie mit dem SUV wieder durch halb Deutschland, bis sie schließlich auf der A2 bei Vlotho der Polizei auffielen und nach einer Verfolgungsjagd mithilfe eines Streifenwagens als Rammbock auf der Kanalstraße in Bad Oeynhausen gestoppt wurden. Das Landgericht Dortmund verurteilte beide im Juli vergangenen Jahres wegen schweren Raubes zu Haftstrafen: Der 22-Jährige muss sechs Jahre sitzen und kommt wegen seiner Drogenprobleme in den Maßregelvollzug, der 21-Jährige bekam eine Jugendstrafe von 27 Monaten.
Damit ist die Sache für die beiden Tunichtgute noch längst nicht erledigt. Denn das Landgericht Paderborn beschäftigt sich jetzt mit dem Überfall auf den Supermarkt, der in Dortmund nicht verhandelt wurde.
Kassiererin mit Schreckschusspistole bedroht
Der Bielefelder soll die Kassiererin – abends gegen 21.20 Uhr – mit einer Schreckschusswaffe bedroht haben, nachdem beide so taten, als wollten sie eine Tafel Toblerone bezahlen, die sie aufs Kassenband gelegt hatten. Praktischerweise galt seinerzeit Maskenpflicht wegen Corona, so dass die Täter die bei solchen Gelegenheiten übliche Schal- und Hoody-Vermummung unterlassen konnten. Sie flüchteten mit dem weißen SUV.
Oelder will Tat im Drogenrausch begangen haben
Der 22-Jährige will vor Gericht zu dem Anklagevorwurf nichts sagen. Sein Verteidiger hatte angeregt, angesichts der zu erwartenden Strafe das Verfahren einzustellen – die Gesamtstrafe mit Einbeziehung des Urteils aus Dortmund würde nur unwesentlich höher ausfallen als die bisher verhängten sechs Jahre. Der 21-Jährige aus Oelde hingegen versuchte sich an einem Geständnis: Er sei derjenige mit der Pistole gewesen, aber nicht so ganz bei sich. „Ich habe den Überfall fast bewusstlos gemacht“ – dank der vielen Drogen, die er zuvor ungewohnterweise konsumiert habe.
Beim Netto wurden 2300 Euro erbeutet. Der Oelder will davon weitere Drogen gekauft haben – ansonsten will er zum möglichen Verteilen der Beute nichts sagen. Was aus dem Geld geworden ist, wird die Kammer versuchen herauszufinden. Immerhin gilt noch ein 19-jähriger Azubi aus Oelde in der Raub-Geschichte als weiterer Beschuldigter – er erklärte sich im Prozess zwar zunächst bereit, als Zeuge auszusagen, behauptete aber, von der Tat gar nichts mitbekommen zu haben. Als die Rede auf einen Chat-Verkehr auf seinem Handy mit dem 22-Jährigen vom Tatabend kam, wollte er dann doch lieber von seinem Schweigerecht Gebrauch machen.
Der Prozess wird fortgesetzt.
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