Hobbyfotografin Sandra Kersting (44) hat das seltene weiße Tier entdeckt
Sorge um Albino-Feldhasen
Paderborn (WB). Irgendwo im Kreis Paderborn lebt ein Albino-Feldhase. „Der ist einzigartig, wahrscheinlich sogar deutschlandweit“, ist Sandra Kersting überzeugt. Deshalb verrät die Hobbyfotografin aus Paderborn auch nicht, wo genau sie den ausgewachsenen weißen Hase mit den roten Albino-Augen entdeckt hat. „Er könnte sonst zur Jagdtrophäe werden“, vermutet sie. Diese Sorge teilen auch die Anwohnern die in unmittelbarer Nähe zum Albino-Tier leben und es gerne beobachten, erzählt Sandra Kersting: „Sie haben den Hasen Glühwürmchen getauft.“
Damit die Existenz des Albino-Feldhasens dokumentiert wird, hat sich die Leserin dieser Zeitung mit ihrer Geschichte an die Redaktion gewandt. „Entdeckt habe ich den Hasen durch Zufall im Mai, als ich mit dem Auto gefahren bin“, erzählt sie. Die Paderbornerin hielt sofort an und zückte ihre Kamera.
Eindeutige Merkmale
Anfangs sei sie verunsichert gewesen, ob es sich tatsächlich um einen Albino-Feldhasen handelt: „Ich habe gegoogelt, aber nichts gefunden. Dann habe ich bei Facebook gefragt. Dort wurde vermutet, dass es sich um ein ausgesetztes Kaninchen handelt.“ Doch das überzeugte Sandra Kersting nicht: „Die Größe des Tieres, die langen Hinterläufe, der nach unten geneigte Schwanz und die Bewegung im Lauf sprechen für einen Hasen.“
Sandra Kersting suchte immer wieder den Ort auf, an dem sie Glühwürmchen das erste Mal gesehen hatte, und befragte die Anwohner. Dabei fand sie heraus, dass das Tier bereits im Februar geboren sein muss. „Da es dort gute Deckung gibt, hatte der Hase das große Glück, dass er trotz seiner auffälligen Farbe nicht von Fressfeinden erwischt wurde“, freut sich die 44-Jährige: „Er ist mittlerweile ein stattliches, kräftiges Tier, an das sich weder Greifvogel noch Fuchs herantrauen. Selbst Hunde sind keine Gefahr, da Feldhasen auf der Flucht bis zu 70 Stundenkilometer erreichen können.“
Unterschutzstellung
Aus Angst, dass der Albino-Hase womöglich von Jägern geschossen wird, wendete sich Sandra Kersting an die Untere Jagdbehörde des Kreises Paderborn und wollte das Tier unter besonderen Schutz stellen lassen. Das war nicht möglich. Kreissprecherin Michaela Pitz erläutert auf Anfrage dieser Zeitung: „Ein einzelnes Tier kann nach dem Naturschutzrecht nicht unter Schutz gestellt werden. Bei der Unterschutzstellung von Tieren wird die Tierart als solche unter Schutz gestellt.“
Bei ihrer eigenen Recherche traf Sandra Kersting auf den Aberglauben, nach dem es Jägern Unglück bringen soll, wenn sie ein Albino-Tier erlegen: „Aus biologischer Sicht besteht auch keine Notwendigkeit, denn Albinismus ist nicht auf Inzucht zurückzuführen“, sagt die 44-Jährige.
Schonfrist endet am 16. Oktober
Das mit dem Aberglauben stimme so nicht, erläutert Annika Güthoff von der Kreisjägerschaft Paderborn auf Anfrage: „Der Aberglaube bezieht sich nur auf weiße Hirsche und besagt, dass man im Jahr danach stirbt.“ Bei einem Albino-Feldhasen handele es sich um ein normales Tier, das außerhalb der Schonfrist in Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober an bis zum 31. Dezember gejagt werden dürfe: „Solche weißen Tiere gibt es immer wieder. Das ist eine Laune der Natur, die häufig vorkommt. Damit sich diese Genmutationen nicht weiter vererbt, sollen Albino-Tiere entnommen werden“, erläutert Annika Güthoff.
„Wenn diese Tiere geschont werden, werden es immer mehr. Der Bestand der Feldhasen muss aber gesund gehalten werden.“ Nordrhein-Westfalen sei mit 19 Feldhasen pro Quadratkilometer das Bundesland mit den meisten Feldhasen in Deutschland. NRW-weit würden pro Jahr 45.000 Feldhasen erlegt. Im Kreis Paderborn seien es pro Jahr 2200 Tiere.
Geringe Überlebenschance
Dass es sich bei Glühwürmchen um einen Albino-Feldhasen handelt, bestätigt der heimische Naturfilmer Robin Jähne auf Anfrage: „Es gibt bei Feldhasen hin und wieder auch helle Varianten, aber hier ist das Auge auch rot, was typisch für Albinismus ist. Auch typisch sind die etwas dunkleren Ohrenspitzen.“ Albinos bei Feldhasen seien keine Seltenheit. „Allerdings haben die meisten keine große Überlebenschance. Dass dieser Hase so groß geworden ist, ist schon etwas Besonderes“, meint Jähne.
Albinos entstehen durch einen Genfehler, der auch vererbt werden kann, erläutert er. Dieser Genfehler wirke sich auf die körpereigene Herstellung von Farbpigmenten aus. Gleichzeitig gebe es oft weitere Einschränkungen, zum Beispiel bei der Sehschärfe und dem räumlichen Sehen, erläutert Robin Jähne.
Sandra Kersting hofft, dass der Albino-Feldhase noch lange von Jägern unentdeckt bleibt: „Er lebt in einem Bereich mit guter Deckung und ohne natürliche Feinde. Dort hat er ein langes Leben vor sich.“
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