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WB-Serie New Work, Teil 1: Es geht nicht nur um Homeoffice

Paderborner Start-ups, die neue Generation und Arbeitszeit

Paderborn

Über Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, neue Arbeitszeitmodelle und Generationsunterschiede wird in der Gesellschaft aktuell viel diskutiert. Wie Start-ups aus Paderborn damit umgehen, zeigt ein Besuch.

Motiviertes Team: unter anderem zählen dazu CEO Christoph Dreesbach, CTO Bhuvan Sharma, Elektroniker Fabian Ritter, Office Managerin Anna Drewes, Till Salten, der für das Performance Marketing zuständig ist und Informatikerin Harshita Puri. Foto: Oliver Schwabe

Florierende Gründungsszene

Vielleicht ist es einigen gar nicht bewusst, aber Paderborns Start-up-Szene floriert. Mit dem Technologiepark und dem im Jahr 2014  gegründeten Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn (TecUP), und der 2017 gegründeten „garage33“ – ein kreativer Freiraum für Events und zum Netzwerken – und bald auch mit dem „Akzelerator.OWL“, ein Standort der Start-ups schneller zur Marktreife verhelfen soll, gibt es mehrere Orte für junge Unternehmen in Paderborn, um sich auszuprobieren und entfalten zu können. 

Gerade Start-ups stehen vor der Herausforderung, Arbeitnehmer zu finden, an sich zu binden und mit ihren zu wachsen. Denn oftmals sind die Erwartungen an die Arbeitnehmer hoch, die Sicherheiten tendenziell geringer und der Lohn nicht überragend. Was können sie tun? Warum arbeiten (vor allem) junge Menschen trotzdem gerne bei einem Start-up?

Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice sind das eine, aber es geht vielmehr darum, die Arbeitszeit so zu gestalten, dass alle gerne zur Arbeit kommen – so lautet zusammenfassend das Resümee von Cellgo, KATMA und GDC, drei Start-ups aus dem Kreis Paderborn.

Wirtschaftsserie zu Forderungen von Arbeitnehmern und New Work

Cellgo: flexible Arbeitszeiten

Bei ihrem Vorstellungsgespräch beim Start-up Cellgo war es Anna Drewes sehr wichtig, eine Garantie für die Arbeit im Homeoffice zu vereinbaren. In dem jungen Unternehmen, das sich auf die Dezentralisierung von Lagersystemen branchenübergreifend  Onlineshops, Schnelllieferdienste und Produktionsbetriebe fokussiert, ist Homeoffice kein Problem und für das gesamte Team möglich. Denn aus Bad Driburg jeden Tag in das Büro nach Paderborn zu fahren, das konnte sich die 26-jährige Office-Managerin nicht vorstellen. „Im Endeffekt ist es aber so, dass ich fast jeden Tag hier bin“, sagt sie und lacht. Dem Mitbegründer und CEO, Christoph Dreesbach, ist der Zusammenhalt und das Wohlbefinden aller Mitarbeiter wichtig: „Am Ende ist es so, wenn man sich wohl fühlt, arbeitet man auch produktiver“, sagt der 29-jährige.

Von 10 bis 14 Uhr gibt es eine Kernarbeitszeit. In dieser Zeit sollten alle Mitarbeiter, im Büro oder im Homeoffice, für Kunden und Kollegen ansprechbar sein. Ansonsten seien die Tage flexibel organisierbar. Wer nachmittags eine Runde joggen will, macht das und arbeitet später weiter, sagt Christoph Dreesbach: „Und wer einen Arzttermin hat, stempelt aus und fährt hin.“

Aber der CEO gibt auch zu Bedenken, es werde sicherlich auch Zeiten geben, in denen flexible Arbeitszeiten nicht immer umsetzbar sind: „Wenn wir weiter wachsen, mehr Kunden generieren und Liefertermine einhalten müssen, könnte das Auswirkungen auf unser flexibles Arbeitszeitmodell haben.“

Brüder und Gründer: Patrick und Felix Kathöfer wollen mit ihrer Maschine die Arbeit von Lkw-Fahrern erleichtern. Foto: Alexandra Pöhler

KATMA Clean Control: „Es geht uns um die Persona.“

Durch Innovation ein Problem zu beseitigen, ohne dass die Technik einen Job wegrationalisiert – das haben die zwei Brüder Patrick und Felix Kathöfer aus Rietberg mit ihrem Start-up „KATMA Clean Control“ und ihrer Maschine für eine automatisierte Reinigung von Lkw-Aufliegern geschafft. Bislang werden die meisten Lkw-Auflieger noch händisch mit einem Hochdruckreiniger gesäubert. Dazu wird viel Wasser, Chemie und Zeit benötigt. Und niemand unterschreibt dafür, dass der Auflieger wirklich sauber ist, sagt Felix Kathöfer. Als Beispiel: ein Lkw fährt mit Düngemittel beladen in den Hamburger Hafen ein, und kommt mit Sojasprossen wieder, erläutert der 27-Jährige, „Unsere Maschine ermöglicht eine zertifizierte Reinigung, die Wasser, Chemie und Energie einspart.“

Die Begeisterung für ihre Erfindung, die sie in einer Lagerhalle in Delbrück finalisieren, ist den beiden anzumerken. Und genau die wollen sie auch bei Mitarbeitern sehen. „Unternehmenszugehörigkeit ist uns sehr wichtig“, sagt Patrick Kathöfer, „Wir suchen Menschen, die Bock haben, KATMA voranzubringen und Interesse für unser Produkt, für das Unternehmen zeigen.“  In Bewerbungsgesprächen geht es den beiden Brüdern darum, die Menschen kennenzulernen. Sie suchen nicht unbedingt nach den perfekten Fähigkeiten, sondern ob es menschlich passt: „Wenn die Motivation stimmt, dann finden wir eine Arbeit, die zu der Person passt“, sagt Patrick Kathöfer. 

Aktuell arbeiten drei, bald fünf, Vollzeitkräfte und elf Werkstudenten für KATMA. Arbeitszeiten und Arbeitsort sind flexibel. Homeoffice sei für alle möglich und mittlerweile Standard für junge Unternehmen, die Mitarbeitern Flexibilität ermöglichen wollen, sagen die zwei Gründer. Es gibt auch ein „Aber“: „Remote arbeiten ist gut und schön, aber man muss sich zwischendurch auch mal sehen“, sagt Felix Kathöfer. Daher gibt es neben der wöchentlichen Besprechung, auch regelmäßige Team-Events, bei denen nicht nur das Berufliche im Fokus steht.

Das KATMA-Team ist mit Menschen aus Syrien, Albanien, Bangladesch und Indien divers aufgestellt. „Und Robert aus Hamburg“, sagt Felix Kathöfer mit einem Schmunzeln. Robert Göhner ist für das Marketing des Unternehmens verantwortlich und studiert an der Universität Paderborn. Im November 2021 hat er als Werkstudent bei KATMA angefangen. Als es ihn wieder in die Heimat zog, war für Patrick und Felix Kathöfer klar, Robert die Arbeit von Hamburg aus zu ermöglichen.

Recruiting-Agentur GDC kämpft gegen Fachkräftemangel

Einer, der Innen- und außen kennt – also jemand, der selbst Arbeitgeber ist, aber auch als Berater für andere Arbeitgeber da ist – ist Josua Gösmann. Der 27-Jährige hat 2021 die Arbeitgebermarketing- und Recruiting-Agentur GDC gegründet, die sich im Technologiepark in Paderborn befindet. Seine Intention ist es, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und Arbeitgeber bei der Mitarbeitergewinnung zu unterstützen. Denn viele Arbeitgeber würden auf die falsche Art der Personalgewinnung setzen, sagt Josua Gösmann: „Daher kommen sie auch mit Bewerbern in Kontakt, die nicht so gut geeignet sind. So entsteht der Eindruck, die Welt spielt verrückt.“ Der Geschäftsführer von GDC spielt damit auf Vorurteile an, die jungen Menschen nachgesagt werden, wie etwa, dass aus einer Forderung nach einer „Work-Life-Balance“ eine „Life-Life-Balance“ geworden ist.

GDC ist deutschlandweit tätig und hat bislang vor allem Zahn- und Fachzahnpraxen beraten. Nun will das Unternehmen seine Expertise auch in Ostwestfalen vermitteln. Recruiting sei eigentlich Mathematik, sagt Josua Gösmann: „Weil es eine potenzielle Menge an möglichen Arbeitnehmern gibt.“ Früher galt noch, Arbeitnehmer müssen auf Arbeitgeber zugehen. „Heute hat sich dieses Gefüge umgekehrt“, sagt er. In diesem Gefecht um Arbeitnehmer gehe es nicht nur um Arbeitszeitmodelle, sondern auch um Gehalt und Weiterbildungsmöglichkeiten. „Als Arbeitgeber muss man sich fragen, wie man attraktiv für Mitarbeiter bleibt und diese an sich binden kann“, sagt Josua Gösmann.

Menschen aus der Generation Y, etwa zwischen 1981 und 1996 geboren und solche, die der Generation Z zuzuordnen sind – also zwischen 1997 und 2010 geboren – möchten oftmals einen sinnstiftenden Job, sagt der Start-up Gründer: „Daher tun sich Unternehmen gut damit, ihre Vision und Mission offenzulegen und zu kommunizieren.“ Es gehe darum, Arbeitszeit besser zu gestalten, sagt der 27-Jährige: „Aktuell wird vor allem über eine 4-Tage-Woche gesprochen, dabei geht unter: Wenn ich nicht gerne in einem Unternehmen arbeite, dann arbeite ich auch nicht vier Tage gerne.“

Josua Gösmann, Geschäftsführer von GDC, im  Beratungsgespräch mit einem Kunden. Foto: GDC
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