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Premiere von „Auerhaus“ in der Studiobühne der Universität Paderborn

Bestseller wird zum Theaterstück

Paderborn

Mit „Auerhaus“ landete der Schriftsteller Bov Bjerg 2015 einen Bestseller. Nun feierte der schmale Roman in der Theaterfassung von Robert Koall in der Studiobühne an der Universität Paderborn Premiere.

Von Rainer Maler

Spielen in „Auerhaus“ eine Gruppe Heranwachsender in den 1980er Jahren (von links): Tom Wicke, Leon Siering, Vivienne Hanft, Marvin Rehbock, Viviane Gladow und Olga Kizmann. Foto: Rainer Maler

Die Coming-of-Age-Geschichte einer Gruppe von Heranwachsenden in den 1980er Jahren inszeniert Sascha Löschner mit viel Schwung und Musik.

Es geht ums Erwachsenwerden, um Schulzeit, um Verliebtsein und Liebes-Aus, den ersten Sex und Untreue, Freundschaft und Trennung, Leben und Tod. Die jungen Menschen ziehen in der Provinz in ein altes Haus, gründen eine Wohngemeinschaft, um vor allem den suizidgefährdeten Frieder (Tom Wicke) im Auge zu behalten, mittels sozialer Kontrolle aufzufangen.

Der hatte versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen, kam in die Psychiatrie. Dort besuchte ihn Höppner (Leon Siering), lernte da die etwas durchgeknallte Brandstifterin Pauline (Olga Kizmann) kennen. Nun kümmern sich der Erzähler Höppner, seine Freundin Vera (Vivienne Hanft) und Cäcilia (Viviane Gladow) um Frieder und suchen ihren eigenen Weg in dieses scheinbar von Eltern und Umwelt vorgezeichnete Leben.

„Ich wollte mich nicht umbringen, ich wollte einfach nicht mehr leben“, so beschreibt Frieder seinen Versuch, sich mit Tabletten und Schnaps das Leben zu nehmen. Wie leben junge Menschen mit dem Gefühl, allein und fremdgesteuert zu sein?

Widerstand gegen das Erwachsenwerden

Bald zieht die wohnungslose Pauline in die WG, auch der schwule Kiffer Harry (Marvin Rehbock) sucht dort Zuflucht, da sein Vater ihn wegen seiner Homosexualität verprügelt hat. Harry ist in der Ausbildung zum Elektriker, später hat er eine Affäre mit Vera, Höppner schafft es nicht, sein Verliebtsein in eine Beziehung zu verwandeln, flippt aus. Hilflosigkeit in der Gefühlswelt, Geldmangel im Schulalltag, also trainieren sie, wie man Lebensmittel klauen kann, Harry dealt mit Drogen, scheint sich im Strichermilieu zu bewegen.

Alle stemmen sich gegen die Zwänge des Erwachsenwerden, dieses Vernünftigsein, Abitur machen, Wehrdienst oder Zivildienst leisten, Beruf und Familie anstreben. Ihr „Auerhaus“ steht eine Zeitlang für Freundschaft, eine Gemeinschaft mit viel Spaß, eine Utopie wird es nicht.

Aus „Our House“ wird „Auerhaus“

Warum „Auerhaus“? Der Name beruht auf einem Missverständnis. Ein Nachbar hatte den Song „Our House“ der Band Madness (1982) falsch verstanden. Die Schauspieler agieren in zahlreichen Rollen, sind Polizist, Nachbar, Arzt, wackeln als gackernde Hühner über die Bühne, sie verkörpern sehr zur Erheiterung der Zuschauer ihre Rollen mit Witz, Humor und der Kunst des Schauspielens.

Es macht Spaß, ihnen bei ihren Erzählungen aus dem Erwachsenwerden zuzuhören. Alle Schauspieler agieren mit viel Leidenschaft. Leon Siering brilliert in der Rolle des Höppner. Die Szenen sind kurz, ganz gleich, ob bei einer Drogenrazzia, einer nächtlichen Verfolgungsjagd mit der Polizei, einer Silvesterparty, mit Frieder und Pauline in der Psychiatrie oder als Höppner bei der Musterung die Hosen herunterlassen muss.

Gespielte Szenen und erzählte Passagen wechseln sich ab. Aus dem Ich-Erzähler des Romans ist ein Wir-Erzähler geworden, die Wohngemeinschaft erzählt, wie es war. Am Ende bricht Höppner die Schule ab, am Ende landet er in Berlin, schlägt sich mit Hilfsarbeiten durch, das Leben ist kein Traum mehr, die Liebeleien sind zerbrochen, die früheren Freunde treffen sich bei einer Beerdigung wieder.

Die nächste Aufführung findet statt an diesem Samstag, 15. April. Weitere Termine sind am 27. und 29. April, 18. und 27. Mai, 22. und 29. Juni. Alle Vorstellungen beginnen um 19.30 Uhr.

Weitere Informationen zum Stück und zur Studiobühne sind zu finden unter https://www.uni-paderborn.de/universitaet/studiobuehne.

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