Forschungskooperation: Backwarenherstellung soll nachhaltiger werden
Uni Paderborn entwickelt virtuellen Backmeister
Paderborn
Bis zu 15 Prozent der vollautomatisch produzierten Backwaren landen heutzutage nicht in der Auslage oder auf dem Frühstückstisch, sondern werden wegen Fehl- und Überproduktion wieder vernichtet. Die Uni Paderborn und das Fraunhofer-Institut haben für dieses Problem zusammen mit Partnern aus der Industrie eine nachhaltigere Lösung entwickelt.
In drei Jahren haben die Projektpartner untersucht, wie sich der Herstellungsprozess von Brötchen, Donuts, Brezeln und Co nachhaltiger gestalten lässt. Das Ziel: weniger Backwaren wegwerfen, stattdessen Ressourcen optimal nutzen und eine bessere Qualität sicherstellen.
Gemeinsam haben sie im Projekt „SensoBack“ ein intelligentes System entwickelt, das die Produktqualität entlang der Backstraße kontinuierlich erfasst und die Parameter der Maschine automatisch an Zutaten und Mengen anpasst, teilt die Uni mit. „SensoBack“, das für „Entwicklung eines Sensor-, Steuerungs- und Leitstandsystems mit Cloudanbindung für die Kleingebäckproduktion“ steht, sei nach drei Jahren nun erfolgreich abgeschlossen worden. Neben dem Heinz-Nixdorf-Institut der Universität Paderborn waren das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM, der Bäckereimaschinen-Hersteller WP Kemper GmbH (Projektleitung), der Spezialist für Bildverarbeitung und Robotik CLK GmbH und der Plattformentwickler myview systems GmbH beteiligt. Das Projekt wurde über den Leitmarktwettbewerb Produktion.NRW mit insgesamt einer Million Euro durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt.
Produktqualität soll optimiert werden
„Selbst bei den neuesten Hochleistungsanlagen hängt die Produktqualität und die Ressourceneffizienz schlussendlich vom Anlagenbediener ab“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Ansgar Trächtler, Leiter der Fachgruppe „Regelungstechnik und Mechatronik“ am Heinz-Nixdorf-Institut und Leiter des Fraunhofer IEM. Denn trotz aller Automatik passe der Mensch die einzelnen Prozessparameter, etwa die Temperatur, an die verschiedenen Rohstoffeigenschaften wie unterschiedliche Mehlsorten an.
Das neu entwickelte System soll den Bäckern dabei helfen, die Produktqualität zu optimieren und gleichzeitig die vorhandenen Ressourcen besser auszunutzen. Der Plan für ein nachhaltigeres industrielles Backen: An mehreren Stellen des Herstellungsprozesses erfassen Sensoren in der Produktionsanlage die Qualität der Backware hinsichtlich Form, Gewicht und Teigeigenschaften. Das intelligente System vergleicht dabei jeden Backschritt mit den Vorgaben.
Basierend auf diesen Messgrößen greift eine Prozessregelung: „Einzelne Parameter der Maschine können schnell so angepasst werden, dass trotz wechselnder Zutateneigenschaften oder -mengen die Kleingebäckwaren eine gleichbleibend hohe Qualität aufweisen. Beispielsweise wird das gewünschte Gewicht der erzeugten Teiglinge über die Anpassung des Drucks beim Portionieren sichergestellt“, erklärt Leon Bussemas, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinz-Nixdorf-Institut.
Missratene Teiglinge werden wiederverarbeitet
Die Daten werden dabei für jeden einzelnen Teigling gespeichert und sind leicht über ein grafisches Frontend einsehbar sowie anpassbar. „Der modular aufgebaute ‚virtuelle Backmeister‘ ermöglicht es den Kunden, einzelne Services zur Analyse, Alarmierung und Optimierung des Backprozesses hinzuzubuchen und je nach Wunsch in der Cloud oder lokal auf eigener IT-Infrastruktur auszuführen. Dies ist ein gelungenes Beispiel eines Software-as-a-Service-Ansatzes“, so Mike Figge vom Fraunhofer IEM.
Teiglinge, die dennoch nicht den Qualitätsanforderungen der Bäcker entsprechen, schleust das neue System automatisch aus und führt es dem Teigmaterial zur Wiederverwendung zurück.
Wie wichtig das ist, verdeutlicht Dr. Felix Oestersötebier, Leiter „Elektrokonstruktion und Software“ bei der WP Kemper GmbH: „Das System hat enormes Potenzial. Als ‚virtueller Backmeister‘ kann es durch die kontinuierliche Bestimmung optimaler Parameter sowie die Option, frühzeitig und auf Knopfdruck einzugreifen, den aktuell hohen Ausschuss aufgrund mangelnder Qualität reduzieren. Ein Mengen-Sicherheitsfaktor – der bei der Produktionsplanung derzeit auf die eigentliche Bedarfsmenge aufgeschlagen wird, um diese Verluste auszugleichen – kann dadurch weitestgehend entfallen.“
Reinigungsprozess der Maschinen soll optimiert werden
Die neu entwickelte Sensorik und Steuerung könnte in Zukunft außerdem genutzt werden, um die Einhaltung von Hygienestandards zu gewährleisten: Bisher erfolgt die Reinigung der Produktionsanlagen in festen Intervallen, unabhängig vom tatsächlichen Hygienezustand.
Da sich dieser direkt auf die Produktqualität und Ressourceneffizienz auswirkt, könnte der Prozess laut des Projektteams optimiert werden, indem die Maschinen durch Kamerasysteme und eine optische Analysesoftware zukünftig in Abhängigkeit vom tatsächlichen Verschmutzungsgrad gereinigt werden.
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