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Paderborner Firma Westfalen-Wind: Neue Kameratechnik soll künftig das Vogelschreddern verhindern

Vogel kommt, Windrad stoppt

Paderborn (WB). Windräder galten lange als Symbol der Energiewende. Mittlerweile sind sie bei vielen Naturschützern aber als Vogelschredder in Verruf geraten. Die Paderborner Firma Westfalen-Wind will das ändern und hat mit dem französischen Unternehmen ­Safewind ein Vogel­stopp-System für Windräder entwickelt, das auch bei älteren An­lagen nachgerüstet werden kann.

Matthias Band

Im Windpark Hassel bei Lichtenau hat das Paderborner Unternehmen Westfalen-Wind fünf Anlagen mit der neuen Kameratechnik ausgestattet und diese getestet. Nach Angaben des Unternehmens seien dabei sehr gute Ergebnisse erzielt worden. Wenn sich ein Greifvogel dem Windrad nähert, werden die Rotorblätter aus dem Wind gefahren und sie pendeln aus. Foto: Westfalen-Wind

Sobald sich größere Vögel wie Bussard, Rotmilan oder Schwarzstorch nähern, erkennen die Kameras die Tiere. Die Rotorblätter werden aus dem Wind gefahren. Weil sie dadurch keinen Antrieb mehr bekommen, verringert sich ihre Geschwindigkeit, die mehr als 200 Kilometer pro Stunde be­tragen kann. Die Rotorblätter pendeln aus – so ähnlich wird es auch bei einem Sturm gemacht. Etwa 20 Sekunden dauert das Herunterfahren.

Vögel erkennen die Hindernisse

Gerade für Greifvögel sind Windräder eine Gefahr, weil die Tiere zum Jagen den Kopf nach unten senken. Aufgrund der dann deutlich reduzierten Drehgeschwindigkeit der Rotorblätter können die Vögel die Hindernisse in der Luft erkennen und sie umfliegen. Ist der Vogel wieder weg, drehen sich die Rotorblätter nach sechs Minuten wieder voll in den Wind. „So können wir gute Betriebsergebnisse in den Windparks erzielen und die Greifvögel schützen. Denn die Alter­native wäre oft, die Windparks ganz abzuschalten. Es ist aber besser, die Anlagen nur abzuschalten, wenn tatsächlich ein Vogel kommt. Über das Jahr gesehen gehen so nur wenige Prozent vom Ertrag verloren“, sagt Westfalen-Wind-Geschäftsführer Johannes Lackmann (69).

Johannes Lackmann, Westfalen-Wind-Geschäftsführer. Foto: Wilfried Hiegemann

Seit drei Jahren beschäftigt sich die Paderborner Firma mit der Technik. Auf einem Kongress in Kassel erfuhr Lackmann von dem französischen Unternehmen, das an der Entwicklung der Kameras arbeitete. In Frankreich sind die Kameras allerdings nur mit einem Lautsprecher versehen, der ein Schrecksignal verbreite, sobald sich ein Vogel nähert. „Krach machen kam für uns aber nicht infrage. Das hätte mit den Bewohnern in der Nähe der Anlagen nur Ärger gemacht“, sagt Lackmann. Also entschied sich Westfalen-Wind dazu, die Kameras mit der Abschaltvorrichtung zu kombinieren. Westfalen-Wind will sich künftig in Deutschland um die Montage kümmern. Die Franzosen liefern die Kameras und zeichnen laut Westfalen-Wind sämtliche Flugdaten der Vögel auf.

Nächtliches Blinken: Transpondertechnik kommt erst 2021

Das nächtliche Dauerblinken der Windräder im Kreis Paderborn wird wohl doch noch ein wenig länger bleiben als ursprünglich geplant. Wie Westfalen-Wind-Geschäftsführer Johannes Lackmann erklärte, verzögere sich die Umsetzung der sogenannten bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung für Windräder mit einer Höhe von mehr als 100 Metern. Eigentlich sollten die ersten Windräder im Kreis Paderborn, wie berichtet, bereits im Herbst dieses Jahres mit der Transpondertechnik ausgerüstet werden, die Westfalen-Wind selbst entwickelt hat. Immer wenn die Geräte nachts das Signal eines Flugzeugs empfangen, werden die Blinklichter an den Anlagen angeschaltet – nach Angaben des Kreises Paderborn für mindestens zehn Minuten. Dafür müsste nicht jede einzelne Windkraftanlage mit einem Empfänger ausgerüstet werden. Ein Transponder, der vermutlich gut 10.000 Euro kosten wird, reicht aus, um zum Beispiel die Anlagen in einem Windpark zu aktivieren. Es habe aber Verzögerungen bei der Zertifizierung der Transpondertechnik gegeben, sagt Lackmann. Erst jetzt könne mit der standortbezogenen Prüfung begonnen werden. Das koste Zeit, weil jede Anlage einzeln geprüft werden müsse. Westfalen-Wind geht nun davon aus, dass die ersten Windräder im Frühjahr 2021 mit der Technik ausgestattet werden.

530 Windräder im Kreis Paderborn

In Deutschland stehen aktuell etwa 30.000 Windräder. Gerade im Kreis Paderborn, wo West­falen-Wind nach eigenen Angaben 170 der aktuell 530 Windräder verwaltet und betreibt, sei die Rotmilan-Population hoch. Hier stelle sich die Frage nach einer Lösung des Vogelschredderproblems also umso mehr. Bisherige Tests an fünf Wind­rädern im Windpark Hassel bei Lichtenau, die vom Salzkottener Sachverständigen für Umweltverträglichkeitsstudien Dr. Karl-Heinz Loske begleitet wurden, hätten sehr gute Ergebnisse gezeigt. Die Kameras, die am Mast der Windräder angebracht werden, erkannten die Greifvögel mit Hilfe einer speziellen Software nach Angaben von Westfalen-Wind bereits in einer Entfernung von 270 Metern. Bei Nebel funktioniert die Kameratechnik allerdings nicht.

Otmar Lüke, Vorsitzender des Nabu-Kreisverbandes lobt die neue Technik grundsätzlich: „Es ist auf jeden Fall nachweisbar, dass Vögel durch die Windenergieanlagen zu Tode kommen. Wenn man Möglichkeiten hat, die Anlagen abzuschalten, dann ist das wunderbar für die Vögel und ich denke auch für die Erbauer der Windenergieanlagen.“ Lüke legt aber Wert darauf, dass die Funktionsfähigkeit der Technik in einer Studie wissenschaftlich überprüft werden muss. „Es ist aber gut, wenn die Betreiber der Windenergiean­lagen sich um den Naturschutz bemühen und die Gefahr für windenergiegefährdete Vogel­arten reduzieren“, sagt Lüke.

Teure Technik

Das Problem: Die Technik ist teuer. 30.000 Euro kostet sie. „Das System ist jetzt noch so teuer, weil die Entwicklungskosten hoch waren. Wir hoffen aber, dass es billiger wird, wenn wir in Serie produzieren“, sagt Lackmann. Auch das Fraunhofer-Institut forschte laut Lackmann an einem ähnlichen System, allerdings radar-basiert. Mit 500.000 Euro wäre es in der Anschaffung aber um ein Vielfaches teurer als die Technik aus Frankreich.

Das System von Westfalen-Wind bringe Vogelschutz und Windenergie sehr gut zusammen, sagt Lackmann: „Ich denke, wenn die Behörden es akzeptieren, dann werden wir es in großem Umfang einsetzen.“ Westfalen-Wind warte jetzt auf eine Freigabe durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz und durch die zuständige Genehmigungsbehörde beim Kreis Paderborn. Wenn die Freigabe vorliege, könne vielleicht schon 2021 mit der Installation der Kameratechnik im Kreis Paderborn begonnen werden.

So sehen die Kameras aus, die den Luftraum über­wachen. Der Lautsprecher, mit dem die Greifvögel in Frankreich verscheucht werden, soll in Deutschland nicht eingesetzt werden. Foto: Westfalen-Wind
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