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Podiumsdiskussion im LWL-Museum Kaiserpfalz in Paderborn

375 Jahre Westfälischer Friede: eine Blaupause für heute?

Paderborn

Kann der Westfälische Friede eine Blaupause zur Lösung aktueller Konflikte sein? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung im LWL-Museum Kaiserpfalz in Paderborn, bei der namhafte Referenten miteinander und mit dem Auditorium diskutierten.

Von Corinna Langkammer

Diskutierten über den Westfälischen Frieden (von links): Moderator Manfred Müller, Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling, Prof. Dr. Peter Schallenberg (Theologische Fakultät Paderborn, Lehrstuhl für Moraltheologie), Wolfgang Schneiderhan (Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge) und Elmar Brok. Foto: Corinna Langkammer

Die Interessenvertretung „Westfalen e.V.“, der Paderborner Bürgerschützenverein 1831 und der Landesverband NRW des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge hatten zu diesem Gedankenaustausch eingeladen, der mit mehr als 220 Zuhörern auf ein breites Publikumsinteresse stieß.

Impulsvorträge hochkarätiger Referenten beleuchteten verschiedene Aspekte des Themas „375 Jahre Westfälischer Friede – und bis heute nichts gelernt?!“

Trotz der nur bedingten Vergleichbarkeit historischer Ereignisse gilt der in Münster und Osnabrück unterzeichnete Friedensschluss bis heute als Beispiel für einen gelungenen Interessenausgleich gegnerischer Kriegsparteien. Und war gleichwohl nicht von dauerhafter Wirkung.

Auf Augenhöhe miteinander umgehen

Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling eröffnete mit ganz persönlichen Betrachtungen den Abend, berichtete von ihren Aufenthalten und Kontakten in Polen und der Ukraine und schilderte das „uns Deutschen bis dato vollkommen unbekannte kollektive Bewusstsein der Bevölkerung in Mittel- und Osteuropa, dass man überfallen werden kann“. Nicht die Politik, sondern nur die betroffenen Menschen könnten miteinander Frieden schließen. Umso wichtiger sei es daher, angefangen bei der Jugend, im Austausch zu bleiben, miteinander auf privater Ebene Freundschaften zu pflegen, sich kennenzulernen und auf Augenhöhe miteinander umzugehen.

Dem schloss sich Wolfgang Schneiderhan, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge an: „Eine dauerhafte Lösung des Ukrainekrieges ist nur möglich, wenn die Zivilgesellschaften einen Friedensschluss akzeptieren und miteinander Konkretes schaffen“. Versöhnung sei das Kernthema, als funktionierendes Beispiel hierfür nannte er die im Volksbund praktizierte gemeinsame Sorge junger Menschen für die Gedenkstätten und Gräberfelder einst verfeindeter Nationen. Versöhnung aber dauere lange.

Kein Vergleich mit dem Krieg in der Ukraine

Schneiderhan, Generalinspekteur der Bundeswehr a.D., sagte, der Westfälische Friede könne nicht als Muster zur Beendigung des heute in Europa tobenden Krieges gelten, sondern höchstens Anregungen bieten. Zu unterschiedlich sei die Situation. Russland führe einen militärischen Krieg gegen die Ukraine, zugleich einen politischen gegen den Westen. Während vor 375 Jahren ein gesamteuropäischer Kampf beendet wurde, gebe es heute einen Aggressor und einen Angegriffenen.

Aus der Perspektive der Ethik analysierte in einem launigen Impulsvortrag Prof. Dr. Peter Schallenberg (Theologische Fakultät Paderborn, Lehrstuhl für Moraltheologie) die Fragestellung. Oft genug müsse der Glaube als Kriegsgrund herhalten, töten Menschen sich gegenseitig im Namen der Religion. Kann es einen „gerechten Krieg“ geben? Die Abwehr eines Usurpators sei legitim, aber es müsse dabei Recht herrschen. Nur, wenn man Herr werde über die „Dämonen des Herzens“, nur wenn Personen sich die Hand reichen, entstehe anstelle einer Friedhofsruhe ein gerechter Friede.

Außenpolitische Expertise brachte Gastredner Elmar Brok (langjähriger Europaabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments) ein und prangerte die Wortbrüchigkeit Putins an, der alle Verträge verletze. Ein Ende des Ukrainekonflikts dürfe nicht den Preis haben, „dass man den Angreifer dafür belohnt, am längsten durchgehalten zu haben“. Insoweit bedürfe es der Unterstützung der Ukraine jetzt, nach einem Kriegsende jedoch auch des Brückenbaus, um der russischen Bevölkerung zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen.

Brok, der gerne mit erhobenem Zeigefinger spricht, beklagte auch die Naivität und Gier des Westens, der den Angriff der Ukraine sehenden Auges in Kauf genommen hätte.

Kontrovers verlaufene Fragerunde

Ein Fazit der spannenden Diskussion: Der westfälische Friede war nicht zuletzt deshalb überfällig, weil alle Kriegsparteien nach dem Dreißigjährigen Krieg erschöpft, die Länder verbrannt, die Bevölkerung durch Krieg, Seuchen, Hunger am Ende und die Kämpfenden vollständig ausgelaugt gewesen seien. So lange dürfe ein Friedensschluss in Osteuropa nicht auf sich warten lassen, wenngleich Schneiderhan anmerkte, man müsse sich „auf einen Abnutzungskrieg einstellen“.

In Nebensätzen wurde auch auf die Situation der Bundeswehr eingegangen, die, wie Schneiderhan erinnerte, etwa in Afghanistan ganze 20 Jahre lang im Einsatz gewesen und in weitere Krisenregionen abkommandiert sei.

Durchaus kontrovers verlief die abschließende Fragerunde mit dem Publikum, die der Westfalen-e.V.-Vorsitzende und Ex-Landrat Manfred Müller wie bereits die Podiumsdiskussion moderierte. Während einige Beiträge die Konfrontation propagierten und gar „die Friedenstaube bewaffnen“ wollten, bemängelten andere, dass es zu wenig um den Frieden und konkrete Lösungsansätze gehe und das Augenmerk nicht auf wie auch immer geartetes „Heldentum“ gerichtet sein dürfe.

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