Zurück zur Natur: Paderborner Start-up-Unternehmen baut Plattform auf
„Wir wollen wildes Campen legalisieren“
Paderborn (WB). Sie sind jung und lieben das Camping. Doch in Reih und Glied mit anderen Campern auf einem in Parzellen eingeteilten Platz dicht an dicht zu stehen, das ist nicht ihr Ding. Doch mitten in der Natur zu campen ist oftmals nicht erlaubt.
Vier Paderborner Studenten wollen mit ihrem Start-up-Unternehmen das verbotene Wildcampen jetzt trotzdem möglich machen. Sie arbeiten an einer Plattform, auf der private Eigentümer zum Beispiel von Wiesenflächen ihr Übernachtungsangebot platzieren können. Die Seite „Vansite.eu“ soll Mitte Juli mit rund 300 Stellplätzen aus ganz Deutschland an den Start gehen und für Reisende neue Urlaubsangebote offerieren.
Büro in der Garage 33
Unterstützer dieses Projekts sind das Technologietransfer- und Existenzgründer-Center der Uni Paderborn (Tec-Up) und die Garage 33, wo das Quartett von Juli an sein Büro hat. Finanziell unterstützt wird das Vorhaben von dem Gründer-Stipendium NRW. Zum Team gehören Maximilian Buschmeyer (30), Sebastian Siegbert (27) und Alexander Herbst (29), die alle an der Uni Paderborn Wirtschaftsingenieurwesen an der Fakultät für Maschinenbau studieren und sich auf den Master vorbereiten. Vierte im Bunde ist Carolin König, die ein Duales Studium in BWL absolviert hat. „Wir sind begeisterte Camper, viel unterwegs und gern auch im Ausland“, berichtet Maximilian Buschmeyer. Ob Surfen in Frankreich oder drei Monate Neuseeland mit Surfen oder Fallschirmspringen: Für den gebürtigen Bielefelder gehört das Naturerlebnis zum Urlaub einfach dazu. Wildes Campen sei den meisten aus Skandinavien bekannt, in Deutschland aber verboten. Die Strafen liegen laut Bußgeldkatalog je nach Bundesland und Standort – außerhalb oder innerhalb eines Natur- oder Landschaftsschutzgebietes zwischen 10 und 2500 Euro (Bayern). Mecklenburg-Vorpommern ist besonders rigoros und verhängt in Landschaftsschutzgebieten bis zu 5000 Euro Bußgeld.
Um das zu umgehen sucht das Start-up „Vansite.eu“ nun Bauernhöfe, Betreiber von Sportanlagen wie Golf- oder Flugplätzen oder auch von Angelteichen, die ein Stück Natur für Camper zur Verfügung stellen wollen. Auch Ferienhöfe sollen zum Angebot dazu gehören. Sanitäre Anlagen seien grundsätzlich keine Voraussetzung, weil ja die Freizeitmobile meistens mit eingebauter Toilette oder Porta Potti (mobile Toilette) ausgerüstet seien. Und waschen könne man sich auch im See, wenn entsprechendes Shampoo verwendet werde, das biologisch abbaubar ist. Und die meisten Wildcamper blieben eh nur ein paar Tage.
Kontakt mit Tourismusverbänden
„Die Akquise ist eine Fleißarbeit, läuft aber sehr erfolgreich“, sagt Maximilian Buschmeyer. Das Quartett wendet sich unter anderem an Landwirtschaftsverbände und Tourismuszentralen im Land sowie Kommunen, um Kontakte aufzubauen. In manchen stark frequentierten Tourismusregionen könne es vorkommen, dass Camping auf Privatgrundstücken nicht gern gesehen sei. Die Zahl der Stellplätze sei generell auf maximal drei begrenzt. Das habe auch rechtliche Gründe, weil die Anbieter sonst unter den Bereich Campingplatz fielen. „Wir wollen eigentlich, dass jeder nur einen Platz anbietet, weil die Camper ja allein sein wollen“, heißt es bei Vansite.
Derzeit gebe es seitens der potentiellen Anbieter noch viel Beratungsbedarf, die meisten Fragen drehen sich um rechtliche Belange, berichtet das Start-up. „Es gibt zum Beispiel Landwirte, die subventionierte Flächen im Blick haben. Das muss man sich dann genehmigen lassen“, sagt Buschmeyer.
Sauberer hinterlassen als vorgefunden
Und was ist mit Müll und Grillen? Unter den Wildcampern gelte ein Verhaltenskodex, der besage: „Verlasse die Fläche sauberer, als du sie vorgefunden hast.“ Und Feuerstellen müssten durch einen Steinkreis genau gekennzeichnet sein. Ansonsten sei offenes Feuer verboten.
Auf der Internetseite wird es Hinweise geben, was der jeweilige Platz bietet. Allerdings wird es eine spezielle Information ganz bestimmt nicht geben: „Wir werden definitiv keine Angaben darüber machen, wie gut der Handy-Empfang ist. Wenn es keinen Empfang gibt, dann ist das eben so“, betont Maximilian Buschmeyer.
Egal ob Uckermark, Bremen, Ravensburg, Siebengebirge oder Ostwestfalen-Lippe: Es gibt schon etliche, die bereit sind, sich listen zu lassen. Dazu gehört auch ein Anbieter in Delbrück, der eine riesige Wiese bereitstellen will. Am Flugplatz Brilon stehe ebenfalls eine Wiese bereit, Flugverkehr sei bei den kleinen Plätzen überwiegend nur am Wochenende, erklärt Vansite. Daher müsse unter der Woche auch nicht mit Lärm gerechnet werden. Manchmal wird das Campen auch tierisch bereichert. Ein Pferdehof ist beispielsweise dabei und in der Nähe des Hennesees im Sauerland gebe es einen Hof mit Alpakas und Kühen. Manche Anbieter hätten einen Hofladen, wo man sich selbst versorgen könne.
Anbieter erhält Servicegebühr
Bezahlt wird über den Online-Bezahldienst Paypal. Und was soll das Übernachten kosten? „Wir geben eine Empfehlung, die von der Ausstattung abhängig ist. Wer eine Dusche und Toilette anbieten kann, sollte mit 20 bis 25 Euro rechnen. Ansonsten rechnen wir mit durchschnittlich 15 Euro.“ Wie groß die Nachfrage ist, zeigt sich gerade jetzt in der Corona-Krise. Camping befindet sich absolut im Aufwind. Das habe auch das Land NRW erkannt, mit dem das Start-up Kooperationsgespräche führe.
Für die Anbieter ist die Plattform, auf der sie sich aufnehmen lassen können, kostenlos. Das Unternehmen Vansite erhält 20 Prozent der Buchungsgebühr – bei 18 Euro pro Nacht sind das rund drei Euro. Für Reisende soll das neue Angebot Mitte Juli freigeschaltet werden.
https://vansite.eu
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