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Im Niederntudorfer Steinbruch gab es im Oktober einen Zwischenfall – Gutachter soll Ursache ermitteln

Bürger besorgt: Steine im Tiefflug

Salzkotten-Nieder...

Steine können eigentlich nicht fliegen. Genau das ist aber im vergangenen Oktober in Niederntudorf passiert. Michael Wilmes möchte daher einen Vorfall öffentlich machen, der aus seiner Sicht höchst gefährlich war und sich nicht wiederholen sollte.

Marion Neesen

Michael Wilmes hat die Steine gesichert, die bei einer Sprengung Mitte Oktober über das Steinbruchgelände hinaus geflogen sind. Foto: Jörn Hannemann

Beobachtet hatten den Steinflug seine Frau und ein von der Unternehmensgruppe Reese beauftragter Sprengmeister eher zufällig, berichtet Michael Wilmes dem Westfälischen Volksblatt. Mitte Oktober sei eine Sprengung im benachbarten Natursteinbetrieb Stelbrink am Burscheidweg geplant gewesen. Der Sprengmeister sei zur Erschütterungsmessung bei Michael Wilmes in der Haarener Straße vor Ort gewesen, als im Verlauf der Sprengung Steine und Lehmklumpen durch die Luft flogen.

„Das war eine höchst gefährliche, ja lebensgefährliche Situation für Fußgänger, Radfahrer, Anwohner und den Verkehr auf der Haarener Straße“, ist Michael Wilmes alarmiert. Unter anderem war ein etwa ein Kilo schwerer Stein über die L 636 und den Fußweg geflogen und in einer Grünfläche vor einem Grundstück gelandet. Sowohl der Sprengmeister als auch Anwohner hätten den Steinschlag in Augenschein genommen und fotografiert. An sechs Stellen fanden sie Steine. Michael Wilmes informierte die Polizei, die Stadt Salzkotten und den Kreis Paderborn.

Vor zwei Jahren hat die Firma Reese aus Rinteln den Natursteinbetrieb in Tudorf erworben. Heinz-Jürgen Requardt, bei Reese zuständig für die Rohstoffsicherung, bestätigt, dass bei der Sprengung im Oktober Steine „ein Stück weiter geflogen“ seien, als sie sollten. Er erläutert, dass sein Unternehmen Sprengungen stets an ein Fachunternehmen weitergebe. Ein Gutachten sei nun in Auftrag gegeben, um die Ursache zu klären. „Wir wollen auch wissen, warum das passiert ist. Uns ist es wichtig zu ermitteln, wie es dazu kommen konnte“, sagt Requardt.

Sechs Wochen nach der folgenreichen Sprengung gab es einen Ortstermin mit Vertretern des Steinbruchbetreibers, des beauftragten Sprengunternehmens und des Kreises Paderborn sowie einem Sachverständigen und Anwohnern. „An einem Austausch über Bedenken, Ideen und Lösungsansätze der Anwohner besteht kein Interesse, man versteckt sich dann hinter dem Ergebnis des Gutachtens“, ist jedoch Michael Wilmes‘ Eindruck.

„Wir wollen zunächst die Ergebnisse des Gutachtens abwarten, um zu sehen, wie wir damit umgehen“, sagt Heinz-Jürgen Requardt. Der auch geologische Gründe als Ursache in Betracht zieht. Seitdem Reese den Steinbruch Stelbrink betreibe, sei dort zweimal gesprengt worden. Ähnliche Vorfälle habe es bis dato nicht gegeben. „Das Sprengverfahren, wofür wir horrende Summen bezahlen, obliegt dem Sprengmeister. Aus unserer Sicht ist alles ordnungsgemäß gelaufen. Wir haben es aber mit Natur zu tun. Ein Restrisiko bleibt“, so Requardt.

Er erläutert zudem, dass es sich um so genannte Lockerungssprengungen handele, bei denen eine dumpfe Erschütterung wahrzunehmen sei. Üblicherweise werde das Gestein per Reißzahn losgerissen. Wenn das nicht möglich sei, werde gesprengt.

Michael Wilmes kritisiert die aus seiner Sicht mangelhaften Sicherungsvorkehrungen bei der Sprengung. Um Steinflug auf schutzwürdige Objekte zu verhindern, müsse der Sprengberechtigte einen kreisförmigen Regelsprengbereich von üblicherweise 300 Metern festlegen. Bei der Sprengung im Oktober habe dieser lediglich 200 Meter betragen. „Und das in einem geologischen Risikogebiet“, so Wilmes. Das Karstgebiet auf der Paderborner Hochfläche sei durchlöchert wie ein Emmentaler Käse und mit Klüften und Dolinen durchzogen. Zwei Dolinen hätten sich sich vor einigen Jahren etwa 1000 Meter entfernt von der jetzigen Sprengstelle geöffnet. Zudem hätten sich ein frei zugängliches Waldstück, die Landstraße sowie der Fuß- und Radweg innerhalb des auf 200 Meter reduzierten Regelsprengbereiches befunden. „Das ist unfassbar“, sagt Wilmes.

Vor jeder Sprengung bekämen die Anwohner lediglich eine schriftliche Mitteilung, dass und wann gesprengt werde. „Es gibt aber keinerlei Hinweis auf Schutz-, Verhaltens- und Sicherungsmaßnahmen, wie Straßen- und Wegsperrungen oder dass man sich nicht im Freien aufhalten sollte“, kritisiert Wilmes. Ebenso wenig seien solche Sicherungsmaßnahmen getroffen worden.

Das Unternehmen Reese aus Rinteln hat vor zwei Jahren den Natursteinbetrieb Stelbrink übernommen. Foto: Jörn Hannemann

Seine Befürchtungen gehen noch weiter. Beim Kreis Paderborn liegt ein Antrag auf Erweiterung der Abbaufläche vor; eine weitere Fläche von etwa 6,5 Hektar sei als Gesteinsabbaugebiet ausgewiesen. „Dazu müsste die Stadt Salzkotten, die Eigentümerin des größten Teils der geplanten Fläche ist, Land verkaufen“, weiß Wilmes, „hoffentlich prüft die Stadt, ob dringende Notwendigkeit einer Veräußerung vorliegt“. Weitere Fläche würden damit der Landwirtschaft entzogen, was weitere Versiegelung der Landschaft bedeute. Zusätzlich sei der Bau einer Lkw-Straße als Einbahnstraße zum Abtransport durch jetzt bestehende Waldflächen geplant.

Der Kreis Paderborn wolle ebenfalls die Ergebnisse des Gutachtens abwarten, bevor über eine Erweiterung des Steinbruchs entschieden werde, heißt es aus dem Kreishaus.

Nach Auskunft der Bezirksregierung liegen erste Ergebnisse des Gutachtens inzwischen vor. Demnach sei es sehr wahrscheinlich, dass es weiche Einschlüsse in den zu sprengenden Gesteinsschichten gegeben habe, die von außen nicht zu erkennen gewesen seien, teilt ein Sprecher der Behörde mit. Die Einschlüsse hätten wahrscheinlich den Winkel verändert, in dem die Steine davon geflogen seien. Bezirksregierung und Kreis Paderborn überprüften derzeit die Schutzmaßnahmen, die durch die Firma bei Sprengungen getroffen werden. Eine eventuell erforderliche Überarbeitung der Schutzmaßnahmen soll vor einer nächsten Sprengung abgeschlossen sein.

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