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Bürgermeister Dreier spricht von „Inferno“ – Chaos im Paderquellgebiet

Tornado verwüstet Paderborn: 43 Verletzte – ein Opfer schwebt in Lebensgefahr

Paderborn

Ein Tornado hat am Freitagnachmittag eine Schneise der Verwüstung quer durch das Paderborner Stadtgebiet gezogen. 43 Verletzte – davon einer lebensgefährlich und 13 weitere schwer – forderte der Sturm nach neuesten Angaben der Polizei.

Von Jörn Hannemann, Per Lütje, Raja Mukherjee und Oliver Schwabe

In der Paderborner Innenstadt wurden zahlreiche Autos unter Bäumen begraben. Foto: Jörn Hannemann

In der Leitstelle der Kreisfeuerwehr in Büren-Ahden liefen die Drähte heiß, als die Gewitterzelle um kurz vor 17 Uhr durch das Paderborner Land zog. Betroffen war zunächst Delbrück, wo heftige Niederschläge niedergingen und einige Keller unter Wasser setzten.

Ein Tornado, der sich bei Lippstadt gebildet haben soll, nahm anschließend Kurs auf die Domstadt und richtete dort ein noch nicht absehbares Ausmaß an  Schäden an. Schwerpunkte waren unter anderem das Riemekeviertel, das Paderquellgebiet und der Dörenpark. Betroffen ist auch das Verlagsgebäude des WESTFÄLISCHEN VOLKSBLATTES.

Aus nur wenige Kilometer entfernten Stadtteilen, wie zum Beispiel Wewer, meldeten sich Anwohner, dass dort kaum etwas von dem Unwetter zu merken gewesen sei. Umso dramatischer stellte sich nach und nach die Lage in der Kernstadt dar. Einrichtungshäuser wie Multipolster in der Senefelderstraße wurden massiv beschädigt, Fensterscheiben zertrümmert, ganze Dächer abgedeckt.

Penzlinger Straße massiv betroffen

Neben der Senefelder Straße ist mit der Penzlinger  Straße noch eine weitere Straße von dem Orkan stark in Mitleidenschaft gezogen. Zahlreiche Dächer wurden abgedeckt. Zwei Häuser sind unbewohnbar, ein weiteres zum Teil eingestürzt. Mehrere andere Häuser dürfen nicht betreten werden.

Tonnenschwere Autos liegen auf der Seite

Derweil erreichten die Redaktion Handyvideos von Augenzeugen, auf denen die Heftigkeit deutlich wurde. Selbst in der vermeintlich windgeschützten Westernstraße wirbelten Auslagen durch die Gegend. Auf dem Betriebsgelände eines Autohauses in der Steubenstraße wurden sogar tonnenschwere Lastwagen wie Spielzeugautos auf die Seite gekippt.

Bürgermeister Michael Dreier

Bürgermeister Michael Dreier zeigte sich am Abend geschockt über das Ausmaß der Verwüstung und sprach von einem „Inferno, das ich so noch nicht erlebt habe.“ Er fuhr mit Feuerwehrchef Ralf Schmitz die betroffenen Gebiete ab und bedankte sich ausdrücklich für den Einsatz aller Einsatz- und Rettungskräfte. „Gott sei Dank hat es keine Toten gegeben. Das hätte noch viel schlimmer ausgehen können.“

Chaos im Paderquellgebiet

Nach Angaben der Feuerwehr sind im Paderquellgebiet fast 50 Prozent der Bäume abgeknickt oder entwurzelt worden. Diese liegen zum Großteil in der Pader und verstopfen den Fluss, so dass die Regenwassermassen nicht abfließen können. Einsatzkräfte sind mit Baggern und weiterem schweren Gerät vor Ort, um die Bäume aus dem Wasser zu befördern. Besonders ärgerlich: Schaulustige ignorieren die Absperrungen, um näher am dramatischen Geschehen zu sein und Fotos zu machen. Damit behindern sie nicht nur die Arbeit der Feuerwehr, sondern bringen sich auch selbst in große Gefahr, da jederzeit weitere Dachziegel herunterzufallen drohen.

Padersprinter stellt Linienverkehr ein

Das Busunternehmen Padersprinter erklärte gegen 19.30 Uhr am Abend, dass der Linienverkehr komplett eingestellt ist. Weiter heißt es in der Mitteilung: „Das Unwetter, welches soeben über Paderborn gezogen ist, führt leider aufgrund zahlreicher Straßensperrungen durch umgefallene Bäume und Überschwemmungen zu erheblichen Störungen unseres Betriebsablaufes. Nach Information der Polizei wird die Beseitigung der zahlreichen Störungen bis in die Nacht dauern. Einige unserer Busse wurden durch das Unwetter ebenfalls beschädigt. Personenschäden sind uns aktuell nicht bekannt.“

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DWD bestätigt: Alles spricht für einen Tornado

Andreas Friedrich, Tornadobeauftragter beim Deutschen Wetterdienst in Frankfurt, bestätigte auf Anfrage, dass erste Aufnahmen vom Unwetter, die ihm vorlägen, einen Tornado plausibel erscheinen lassen. Die Region OWL sei deutschlandweit Hotspot gewesen. Er konnte am frühen Abend jedoch Entwarnung geben, dass das Gröbste überstanden sei. Zur Schwere des vermeintlichen Tornados konnte der Wetterexperte noch keine Angaben machen.

Entwurzelte Bäume verschließen die Einfahrt zum Technischen Hilfswerk in der Senefelderstraße. Foto: Jörn Hannemann

Das Unwetter sorgte sogar dafür, dass Retter selbst aus misslichen Lagen befreit werden mussten. So versperrte ein umgestürzter Baum die Zufahrt zum Technischen Hilfswerk in der Senefelderstraße und verhinderte zunächst, dass die dortigen Kräfte ausrücken konnten.

Auch das Kreishaus beschädigt

Kreissprecherin Leah Laven teilte mit, dass auch das Kreishaus beschädigt wurde. Dort lösten sich Teile des Daches. Zudem bleibt das Entsorgungszentrum des Kreises Paderborn „Alte Schanze“ wegen umgestürzter Bäume am Samstag geschlossen, teilte sie ferner mit.

Nach Angaben von Landrat Christoph Rüther lagen neben der Kernstadt Paderborns auch Teile Altenbekens auf der Zugbahn des Tornados. Katastrophenalarm sei jedoch nicht ausgelöst worden, betonte der Chef der Kreisverwaltung und oberste Dienstherr des Rettungswesens im Kreis Paderborn.

Fachwerkhäuser „Auf den Dielen“ beschädigt

Die Fachwerkhäuser in der Gasse „Auf den Dielen“ zählen zu den Schmuckstücken in der Paderborner Innenstadt, auch sie sind vom Tornado nicht verschont geblieben. Dort sind Bäume auf die Dächer gefallen. Gleiches gilt für das Michaelskloster, das ebenfalls schwer beschädigt wurde.

Umgestürzte Bäume in Altenbeken

Schwerpunkte der Einsätze in Altenbeken waren die Landstraße 755, die zwischen der Eggegemeinde und Neuenbeken wegen umgestürzter Bäume längere Zeit gesperrt werden musste, sowie im Bereich der Eggelandhalle. Am Gardeweg wurde ein Haus von einem Baum getroffen. „Glücklicherweise ist bis jetzt niemand verletzt worden“, berichtete Einsatzleiter Rainer Hartmann.

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