Nach dem Ertrinken zweier Töchter spendet die Mutter an das Kinderhospiz in Bielefeld
„Mir fehlt ein Teil meines Lebens“
Schieder-Schwalenberg/Bielefeld
Vier Monate, nachdem die Schwestern Hannah (23) und Vanessa (25) aus Schieder-Schwalenberg vor Mallorca ertrunken sind, hat ihre Mutter Anja Paeschke (52) in dieser Woche dem Kinder- und Jugendhospiz in Bielefeld-Bethel einen Scheck über 11.111 Euro übergeben.
„Ich möchte, dass Eltern in einer würdigen Umgebung Abschied von ihren Kindern nehmen können. Uns war das nicht vergönnt.“
Das Unglück geschah am 2. September frühmorgens, etwa zwölf Stunden nach Ankunft der Frauen auf der Insel. Die Schwestern waren gegen 2 Uhr mit vier Freundinnen aus Lügde, Schieder-Schwalenberg und Köln am Strand der Bucht von Mendia, begleitet von einem deutschen Bekannten (30). „Hannah, Vanessa und ihre Freundin Sina liefen ins Meer, aber nicht mal bis zum Bauchnabel“, sagt die Mutter. Die überlebende Freundin habe ihr später erzählt, wie ihr die Unterströmung die Beine weggerissen habe.
„Sie ist untergegangen und hat Wasser geschluckt, aber der junge Mann konnte sie retten.“ Danach zog er Vanessa aus dem Meer, die aber schon nicht mehr bei Bewusstsein war. Von Hannah war in der dunklen Nacht nichts mehr zu sehen, sie wurde später aus dem Meer geborgen.
Nach dem Tod der jungen Frauen hatten ihre Freundinnen einen Spendenaufruf gestartet, weil sie gehört hatten, dass die Überführungen und Bestattungen bis zu 50.000 Euro kosten könnten. So mussten die Eltern nach eigenen Worten 9.500 Euro überweisen, um eine Einäscherung in Spanien zu verhindern. Anja Paeschke: „Die Anteilnahme und die Spendenbereitschaft waren enorm.“ Weil mehr Geld auf dem Konto eingegangen sei als benötigt, wolle sie dem Hospiz helfen. „Ich denke, das ist im Sinne der Spender.“
Hospizleiter René Meistrell sagte, er freue sich, weil das Hospiz dringend auf Spenden angewiesen sei, und berichtete, dass das Haus etwa 150 Familien pro Jahr betreue. „Die meisten aus Ostwestfalen-Lippe, aber es kommen auch Familien von weit her, weil es zu wenig Einrichtungen dieser Art gibt.“
Warum 11.111 Euro? „Jede Eins soll für eine Eigenschaft stehen, die meinen Töchtern wichtig war. Empathie, Aufopferung, Freude, Solidarität und Mitmenschlichkeit.“ Hannah hatte als Krankenschwester im Klinikum Lippe gearbeitet, Vanessa als Altenpflegerin im Elisenstift Blomberg. Gerade hatte sie ihre Prüfung zur Pflegedienstleitung bestanden. „Die Corona-Pandemie hatte die beiden fertiggemacht“, sagt Anja Paeschke, selbst Altenpflegerin und Palliativfachkraft. „Hannah hat auf der Krebsstation miterlebt, wie Menschen ohne Angehörige sterben mussten, und Vanessa hat die Einsamkeit der Alten zu schaffen gemacht. Wenn Hannah Nachtdienst hatte, hat sie oft stundenlang bei den Krebskranken am Bett gesessen und mit ihnen gesprochen. Die beiden waren einfach gute Menschen, und sie fehlen nicht nur uns.“
Im Frühjahr, sagt Anja Paeschke, wolle eine Motorradgruppe aus Mallorca das Grab der beiden Schwestern besuchen. „Der Unfall hat auch in Spanien viele Menschen bewegt.“ Etwa 450 Menschen waren im September zur Beerdigung der Geschwister gekommen, die sich ein Grab in ihrer Heimatstadt teilen. Dort steht ein Foto der beiden, das zeigt, wie sie einen Kussmund machen – ein Foto mitten aus dem Leben.
Ihr jüngerer Bruder und ihre ältere Schwester verarbeiten den Verlust unterschiedlich, Anja Paeschke ist noch krankgeschrieben. „Ich kann als Palliativ-Fachkraft im Moment niemandem Trost spenden.“ Sie sei auch in Psychotherapie. „Besonders schlimm ist es, wenn einem zwischendurch plötzlich wieder diese Endgültigkeit bewusst wird“, sagt sie. „Weihnachten war ganz schlimm.“ Und als sie kürzlich Vanessas Audi zu einem Händler gefahren habe, habe sie im Auto geweint und geschrien. „Meine Töchter sind ein Teil meines Lebens, der mir jetzt fehlt.“
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