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Kreisverbandsvorsitzender Rainer Meyer: „Landwirte brauchen Perspektiven“

Schweinehalter kämpfen ums Überleben

Bad Oeynhausen/Preußisch Oldendorf

Finanzielle Sorgen und bange Fragen treiben die heimischen Schweinehalter um. „Die Bauernfamilien haben Zukunftsängste, sie sind verzweifelt und ratlos“, beschreibt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Minden-Lübbecke Rainer Meyer die Situation.

Die Lage der Schweinebauern ist mehr als angespannt. 390 Schweinehalter gibt es noch im Mühlenkreis, davon 130 Sauenhalter. Besonders die Höfe, die Sauen halten, sind stark gebeutelt.

„Viele fragen sich: Wie geht es mit uns weiter?“ Die Lage der Schweinebauern, insbesondere der Sauenhalter sei wirtschaftlich miserabel. Die Preise lägen seit Monaten am Boden und statt fairer, auskömmlicher Preise gebe es ständig neue Auflagen von Handel und Politik. „Wenn sich die Lage nicht ändert, wird ein ganzer Berufszweig in Deutschland wegbrechen“, erklärt Meyer, der selbst einen Schweinebetrieb hat.

Die Landwirte kennen den Markt mit seinen Höhen und Tiefen seit Jahrzehnten. „Aber so eine Situation haben wir noch nicht gehabt“, unterstreicht Junglandwirt Carl Malte Becker. Er und seine Familie haben einen Hof mit Sauenhaltung in Preußisch Oldendorf. „Der Takt, mit dem uns neue Hürden in den Weg gestellt werden, wird immer höher.“ Neben chronisch niedrigen Preisen, gestiegenen Kosten, ständig neuen Auflagen, kämen die Afrikanische Schweinepest in Deutschland, wegbrechende Märkte und vor allem fehlende Perspektiven hinzu.

Kosten übersteigen die Erlöse

Die Kosten für die Erzeugung – wie höhere Futterpreise – übersteigen deutlich die Erlöse. „Lange können die Höfe das nicht durchhalten, es geht an die Substanz“, erläutert Meyer. Rund 390 Schweinehalter gebe es noch im Mühlenkreis, davon 130 Sauenhalter. Besonders die Höfe, die Sauen halten, seien betroffen. Sie würden nicht nur unter einer stockenden Abnahme und niedrigen Preisen leiden. Ihnen stehen zudem hohe Investitionen für gesetzliche Umbauten in den Ställen bevor.

Nicht die Politik, sondern der Handel, hat dann im Sommer für Entsetzen und Angst gesorgt: „Der Discounter Aldi verkündet bis 2030 – in nur neun Jahren – bei Frischfleisch vollständig auf die Haltungsform 3 und 4 umzustellen“, erklärt Meyer. „Nichts mit Verhandlungen über Preise, verbindliche Angebote, Übergangs- oder Laufzeiten wie es sich unter Marktpartnern gehört, sondern nach dem Motto, der Handel gibt vor, die Bauern haben zu liefern“, so Meyer.

Der Landwirtevorsitzende untermauert die Bereitschaft der Bauern für eine Weiterentwicklung in der Tierhaltung. Doch vieles könnten die Familien auf den Höfen nicht gleich von heute auf morgen stemmen. „Entscheidungen und Investitionen haben immer die Tragweite einer Generation“, betont der 24-jährige Carl Malte Becker. „Höhere Ansprüche an die Landwirtschaft kosten mehr Geld, für uns höheren finanziellen und bürokratischen Aufwand.“ Doch hohe Standards und Preise auf Weltmarktniveau passten nun mal nicht zusammen. Hinzu komme: Die heimischen Landwirte geraten im internationalen Vergleich wirtschaftlich eindeutig ins Hintertreffen.

"Es muss jetzt gehandelt werden"

„Uns fehlen verlässliche Rahmenbedingungen“, sagt Carl Malte Becker. Oft handele es sich um politische Scheinlösungen. So seien zum Beispiel Umwelt- und Tierschutz in Deutschland ein Zielkonflikt, mit dem die Bauern allein gelassen würden. Alles sei unbestimmt, beispielsweise wie es mit dem Borchertplan weitergehe. Dieser enthält Vorschläge wie Tiere zukünftig gehalten werden können.

„Es muss jetzt gehandelt werden“, untermauert Meyer, „um das Sterben der Höfe aufzuhalten, denn noch haben wir sie.“ Was brächten immer neue Vorgaben, Auflagen, Verordnungen und Sonderwünsche, wenn es die Landwirte nicht mehr gibt, um die Verbraucher mit heimischen Erzeugnissen zu versorgen? Ein Großteil käme dann aus Osteuropa, Spanien oder Brasilien, unter deutlichen schlechteren Tier- und Umweltschutzbedingungen erzeugt. „Wollen wir das?“, fragt Meyer. Der Berufsstand fordert deshalb ein entschlossenes Handeln und Unterstützung und zwar auf allen Ebenen: Handel, Verarbeiter, Politik und Gesellschaft.

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