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True-Crime-TV-Serie bei TVNow und Podcast bei Sky zerren Bosseborn wieder in die Medien

Stadt will Horror-Haus endlich übernehmen und abreißen

Höxter/Bosseborn

Das Genre „Horror“ gehört zu den beliebtesten Themen bei Fernsehzuschauern. Sowohl der Streamingdienst TVNow als auch der Bezahlsender Sky greifen in diesem Sommer die Verbrechen im „Horror-Haus“ in Bosseborn erneut auf und wollen einem Millionenpublikum erweiterte Hintergründe zu dem spektakulären Fall berichten.

Von Michael Robrecht

Wann wird das Horror-Haus von Bosseborn endlich abgerissen? Das fragen sich viele Bürger. Seit 2020 wartet die Stadt Höxter darauf, dass sie vom Land NRW das durch die Verbrechen an Frauen weltbekannt gewordene Gebäude übernehmen kann. Foto: Michael Robrecht

In Bosseborn sieht man die neuen medial stark beachteten und beworbenen Produktionen mit reichlich Skepsis, wird der 700-Seelenort doch erneut bundesweit ins Scheinwerferlicht gezerrt. Seit genau fünf Jahren liefern „Horror-Haus“ und „Horror-Paar“ überregionale Schlagzeilen.

Die ganze Geschichte, Fotos und Hintergrund: Lesen Sie mehr über den Kriminalfall "Horror-Haus" von Höxter auf unserer Sonderseite.

Was ist geplant?

Streamingdienst TVNow hat eine neue Dokumentation über das Folterpaar und besonders über Angelika W. produziert. Der Film ist ab Mittwoch, 16. Juni, in der Mediathek des Dienstes, der viele Serien und Sendungen der Privatsendergruppe RTL zeigt, freigeschaltet. „Mörderische Frauen: Töten aus Lust“ heißt das Grusel-Format. „Dr. Julia Shaw: Verbrechen verstehen – Der Fall Höxter“ ist eine True-Crime-Doku. In „Mörderische Frauen“ geht es schwerpunktmäßig um den Fall der Angelika W., die im „Horror-Haus von Höxter“ jahrelang zusammen mit ihrem Exmann Wilfried W. Frauen quälte. Die weltbekannte Kriminalpsychologin Dr. Shaw will herausfinden, warum Frauen anders töten als Männer.

Der Paderborner Landgerichtsrichter Bernd Emminghaus und die Verteidiger von Angelika und Wilfried W., Peter Wüller und Detlev Binder, werden als Zeitzeugen befragt. Zeitungsbeiträge spielen eine Rolle. Herausgearbeitet wird, wie aus einem Bauernmädchen mit Realschulabschluss eine Frau werden konnte, die mordet.

Die Qualen der Frauen in Bosseborn füllten von Amerika bis Asien Zeitungsseiten oder liefen als Breaking News über CNN. „Die Serie ist nichts für schwache Nerven. Das Besondere ist, dass die Taten nicht von einem Sprecher, sondern von der Täterin erzählt werden“, schreibt TVNow zur Erstausstrahlung. Eine Warnung des Streaming-Dienstes gibt es auch: „Auf Grund der Thematik sollte das Format eher von Jugendlichen und Erwachsenen gesehen werden.“ Infos: www.tvnow.de.

True-Crime Podcast-Adaption

Und dann gibt es vier Wochen später noch eine Neu-Produktion zum „Horror-Haus“. Eine True-Crime Podcast-Adaption: „Verbrechen von Nebenan“ mit Philipp Fleiter läuft ab 19. Juli exklusiv bei Sky Crime und Sky Ticket. In fünf Episoden werden die Kriminalfälle des Horror-Hauses von Höxter, des Amoklaufs in Rot am See, des Münzraubes im Berliner Bode-Museum, über die Entführung der Ursula Herrmann sowie zum Fall Oury Jalloh thematisiert. Viele Experten sprechen in der Sendung. Neben den spannenden Gesprächspartnern werden mit Originalbildmaterial und Graphic Recording im Studio von dem bekannten Grafiker und Autor Sebastian Lörscher die jeweiligen Fälle auch in einer einzigartigen und neuen Erzählebene dem Zuschauer veranschaulicht.

Und es gibt noch eine dritte neue TV-Produktion: Der WDR dreht zurzeit eine Dokumentation über Bosseborn und sein durch die Verbrechen weltbekanntes Haus.

Stadt wartet auf Übertragung durch NRW

Die Übertragung des Horror-Hauses vom Land NRW auf die Stadt Höxter ist in Arbeit. Dann könnte die Stadt das Objekt abreißen, wie Verwaltung, Rat und Ortsausschuss es wünschen, um die belastete Immobilie nicht weiter zum Ziel von Schaulustigen und Grusel-Touristen zu machen. Schon 2020 gab es – nach monatelangem Behördengezerre – die Aussage des NRW-Justizministeriums, dass das Haus „zeitnah“ an die Stadt Höxter gehen sollte. „Die erforderlichen Verfahrensschritte bis hin zum Eigentumsübergang nehmen noch Zeit in Anspruch. Sobald das Haus in das Eigentum der Stadt übergegangen ist, wird es abgerissen“, erklärte Stadtpressesprecher Markus Finger am Freitag.

Kommentar von Michael Robrecht: In der Endlosschleife

Horror-Haus, Folter-Paar, Höxter-Morde, Bosseborn-Grauen – und kein Ende. Auch wenn das weltbekannte 30er-Jahre-Gebäude Saatweg 6 bald abgerissen und das Grundstück in eine Wiese umgewandelt worden ist, dann wird der schöne Höhenort seinen Schatten „Horror-Haus“ auch in den nächsten Jahren nicht los. Das ist keine Drohung, das wird leider so sein. Immer, wenn es ähnliche Verbrechen, Prozesse und Jahrestage gibt, leuchtet der Name „Bosseborn“ sofort auf. Talkshow-Redaktionen, Gruselautoren, Medienarchive und das omnipräsente Internet vergessen diesen Fall so schnell nicht.

Das ist bitter für die Bosseborner, aber wohl nicht zu verhindern. Seit 30 Jahren erleiden die Bredenborner mit den Solling-Polizistenmorden ein ähnliches Schicksal. Und auch die Kindesmissbrauchsfälle im nahen Lügde-Elbrinxen werden Kainsmal für die Region bleiben.

Abstoßend wird es, wenn Verbrechen wie in Bosseborn auf dem Boulevard reißerisch und marktschreierisch ausgeschlachtet, mit TV-Gruselfaktor „aufgearbeitet“, verfilmt oder in Texten und Büchern in Endlosschleife zelebriert und seziert werden. Der Gipfel der Geschmacklosigkeit ist ein bundesweiter Tourenanbieter, der gezielt Touristen, hier Biker, zu Tatorten führt und mit dem Horror-Haus viel Geld verdienen will.

Darum ist es auch so wichtig, dass die Stadt das Gebäude – nach viel zu langem Bürokraten-Gezerre – vom Land endlich bekommt und abreißt. Fehlende Sichtbarkeit macht Bosseborn dann hoffentlich uninteressanter.

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