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Wie die Grünhelme aus Deutschland in Mosambik eine Schule bauen – WESTFALEN-BLATT-Weihnachtsspendenaktion unterstützt Organisation

Jeder Ziegel für die Schule wird selbst gebrannt

Sovim (WB)

Die Bilder aus Mosambik, aus dem Ort Buzi, gingen um die Welt. Sie wurden in Zeitungen gedruckt und in der „Tagesschau“ gesendet. Sie zeigten, wie Menschen tagelang in Bäumen saßen, um sich vor den Fluten zu retten, die der Zyklon Idai mit sich gebracht hatte. Sie zeigten Zerstörung und vor allem die massive Überflutung.

Simon Bethlehem, Grünhelm aus Gütersloh

Dieses Provisorium aus Zweigen und Lehm ersetzt im Moment die vom Taifun zerstörte Schule. Foto: Jonas Ruhs

Etwa vier Monate später, als ich im Sommer 2019 für die Grünhelme in Buzi ankam, erinnerte vieles noch immer an die Bilder aus der „Tagesschau“. Das Wasser war zwar zurückgegangen und Buzi, ein Ort an der Küste Mosambiks, hatte wieder zu leben begonnen. Aber von den Fluten waren noch die Zerstörungen an den Gebäuden erkennbar. Ich traf hier einen Mitarbeiter unserer Schwesterorganisation Cap Anamur, der schon lange im Land lebt und sich bestens auskennt.

Ein Grünhelm-Kollege war schon kurz nach dem furchtbaren Wirbelsturm vor Ort gewesen, hatte Eindrücke und Ideen gesammelt. Nun sollte ich diese Ideen zu einem Grünhelme-Projekt machen. Buzi wurde nicht unser Projektort, denn seiner neuerlichen Prominenz geschuldet, hatten hier gleich nach dem Zyklon viele andere Organisationen zu arbeiten begonnen. Uns verschlug es ins Hinterland, wo weit weniger Hilfe angekommen war. Chadea nennt sich diese Region, jeweils drei Autostunden von Buzi und der Provinzhauptstadt Beira entfernt, und das Dorf Sovim sollte unser Projektort werden.

Mit vereinten Kräften wird der Dachstuhl errichtet: Hier lässt sich schon erahnen, wie die neue Schule einmal aussehen wird. Foto: Jonas Ruhs

Sovim ist eigentlich kein richtiges Dorf, vielmehr ei­ne Bauernschaft. Entlang ei­ner Sandpiste findet man über viele Kilometer immer mal wieder kleine Ansammlungen von meist runden Lehmhütten mit in der Mitte spitz zulaufenden Strohdächern. Hier und dort gehen kleine Trampelpfade von der Straße ab und eröffnen Wege zu weiteren, manchmal auch einzelnen kleinen Gebäuden. Der Zy­klon Idai fegte auch über Sovim: Die meisten der Hütten wurden weggerissen, wenigen ging nur das Dach verloren. Von den Wassermassen blieb Chadea zum Glück verschont, da die Region auf einer kleinen Anhöhe liegt.

Von der Grundschule, die einst am zentralen Platz Sovims gestanden hatte, war leider nichts übrig geblieben. Allerdings hatten die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer im Schweiße ihres Angesichts eine provisorische Anlage gebaut. Längere Äste in den Boden gerammt und mit Lehm beschmissen. Als Dach diente altes, verrostetes Wellblech. Es brauchte keine große Phantasie, um zu erahnen, dass diese „Schule“ die nächste Regenzeit nicht überstehen würde.

Das Engagement der Dorfgemeinschaft und die Offenheit der regionalen Schulbehörde hatten uns überzeugt: Hier waren wir am richtigen Ort. Mein Begleiter, ein Architekt, der schon viel für die Grünhelme gearbeitet hatte, schüttelte binnen weniger Stunden einen ersten Entwurf, angepasst an die lokalen Gegebenheiten und Baustoffe aus dem Ärmel, und so stellten wir der Dorfgemeinschaft unsere Idee vor: Eine neue Schule für Sovim mit sieben Klassenräumen, damit fortan jede Klasse ihren eigenen Raum haben würde.

Feuchter, lehmhaltiger Boden wird in Formen gepresst und nach dem Trocknen zu Ziegeln gebrannt. Foto: Jonas Ruhs

Ein Projektstart in einem für uns neuen Ort ist immer spannend. Zunächst muss eine Unterkunft für unser Team aus Deutschland, meist zwei bis drei Leute, gefunden werden. Hier aber standen kaum noch Häuser. Dennoch hatten wir Glück, dass direkt am Bauplatz der Schule eine kleine Hütte mit einer Fläche von etwa zwölf Quadratmetern stand, deren Besitzer in der Stadt lebte. So konnten wir sie nutzen. Wir organisierten Holz, bauten Betten, einen Tisch, ein paar Regale. Dann musste noch die kleine Solaranlage montiert werden. Eine Küche gab es nicht – wie unsere neue Nachbarschaft auch, kochten wir draußen über Holzkohlen.

Auf der Baustelle bereiteten wir die ersten Dinge vor, stellten ein Schnurgerüst, um die Außenmaße des Gebäudes abzustecken und die Unebenheiten des Geländes auszugleichen. Bei einem Besuch in der Provinzhauptstadt Beira unterzeichneten wir einen Vertrag mit der Schulbehörde, die sich verpflichtete, nach der Fertigstellung des Gebäudes, den Betrieb zu finanzieren, also die Lehrkräfte zu bezahlen und Materialien bereitzustellen. Dies ist besonders wichtig, weil ein Gebäude allein nichts bewirken kann.

Auch die lokalen Mitarbeiter stellten sich in den nächsten Tagen vor, allesamt aus der Dorfgemeinschaft. Sie sollten fortan die neue Schule für ihre Kinder, Geschwister, Nichten und Neffen bauen. Glücklicherweise hatten zwei von ihnen schon zuvor im benachbarten Südafrika gearbeitet und sprachen passables Englisch. Denn die Landessprache Portugiesisch und die zahlreichen Stammessprachen hätten für mich eine Sprachbarriere bedeutet.

Das Besondere an diesem Projekt ist, dass wir aus dem reichlich vorhandenen Lehmboden unsere eigenen Ziegelsteine brennen. Dafür wird der Boden aus bestimmten Stellen der Erde gegraben, feucht in kleine Formen gestopft, wieder herausgenommen und mehrere Tage an der Luft getrocknet. Anschließend werden die nun schon etwas formstabileren Ziegel zu einem großen sogenannten Feldbrand gestapelt. Im unteren Bereich wird Raum für Feuerkammern gelassen, wo nun durchgehend ein Feuer lodert. Von außen wird der Feldbrand mit Stroh bedeckt. Und schließlich können die Ziegel nach drei Tagen des Brennens vermauert werden.

Durch den großen Lehmgehalt der Erde sind die Ziegel robust und auch weitestgehend wetterbeständig. Zudem wird die Schule große Dachüberstände bekommen, um die Ziegel bestmöglich zu schützen und eine Langlebigkeit des Gebäudes zu ermöglichen. Denn unser Anspruch ist, dass die Gebäude, die wir bauen, auch 50 Jahre stehen sollen.

Natürlich hat der Schulbau gleich zahlreiche Neugierige angelockt. Vor allem sind es die Kinder, die nach dem Unterricht im benachbarten Provisorium schauen, wie ihre neue Schule wächst und wächst.

Einige Monate nach dem Baustart habe ich das Projekt an einen Kollegen abgegeben, der es fortan betreut. Wegen eines coronabedingten Lockdowns in Mosambik mussten wir das Projekt leider Ende März unterbrechen. Seitdem ist das Land abgeriegelt, und eine Wiedereinreise derzeit nicht möglich.

Wir sind aber in engem Austausch mit dem dortigen Innenministerium und optimistisch, ab Anfang Januar den Bau der neuen Schule in Sovim endlich beenden zu können.

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