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Kommentar zur Neuauflage der Landtagswahl in Berlin

CDU-Sieg ohne Wert?

Die Berliner CDU jubelt, aber was ist ihr klarer Sieg bei dieser Neuauflage der Landtagswahl wert? Die SPD stürzt ab und doch scheint – nicht nur den Zahlen nach – eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot nicht ausgeschlossen. Berlin bleibt eben Berlin.

Die CDU feiert ihren Spitzenkandidaten Kai Wegner für das starke Ergebnis. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner wird seine liebe Mühe haben, SPD (schwierig) oder Grüne (noch viel schwieriger) für eine Koalition un­ter seiner Führung zu gewinnen. Und mag Berlin auch Berlin sein – eine Sonderrolle übernähme man hier nicht, denn die Hauptstadt wäre nicht das erste Bundesland, in dem es nicht die stärkste Partei ist, die den Regierungschef stellt.

Wegners Triumph ist vor allem die grandiose Niederlage der Regierenden Bürgermeisterin. Für Franziska Giffey und ihre SPD ist dieses Ergebnis ein Debakel. Immer wieder sichtbar werdender Dissens zwischen der eher konservativen Spitzenfrau und ihrem sehr linken Landesverband – dauerhafter Dissens zwischen den Koalitionspartnern SPD, Grünen und Linken. Das war am Ende sogar im linksliberalen und chaoserprobten Berlin zu viel des Schlechten. Für Giffey steht nun vielleicht sogar ihre eigene politische Karriere auf dem Spiel – und das, obwohl sie zu den prominentesten und profiliertesten Köpfen zählt, die die SPD zu bieten hat.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin und Spitzenkandidatin der Berliner SPD, gibt in ihrem Wahllokal in Berlin-Friedrichshain ihre Stimmzettel zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ab. Foto: dpa

Immerhin: Die Hauptstadt hat bewiesen, dass sie doch noch in der Lage ist, eine Wahl ordnungsgemäß über die Bühne zu bekommen. Dass die Wahlbeteiligung jetzt deutlich geringer ausfiel, kann nicht überraschen und sollte deshalb auch nicht überinterpretiert werden.

Interpretationsstoff gibt‘s dennoch reichlich: CDU-Parteichef Friedrich Merz darf sich auch persönlich bestätigt fühlen. Angesichts der chronischen Schwäche seiner Christdemokraten in Großstädten ist dieser Erdrutscherfolg allein symbolisch von hohem Wert. Doch was nützt alle Symbolkraft, wenn es Wahlsieger Wegner nicht ins Amt schafft. Die Wahlverlierer SPD und Grüne hingegen müssen sich – unabhängig von rechnerischen Mehrheiten – fragen, woraus sie einen Regierungsauftrag ableiten wollten. Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2021 war ein Desaster für die Demokratie in Deutschland. Ei­ne ungerührte Fortsetzung von Rot-Grün-Rot im Frühjahr 2023 wäre ein Desaster für unsere politische Kultur.

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