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Kommentar

Kardinal Marx soll im Amt bleiben: Ermutigung aus Rom

Rom

Für die einen kommt die Nachricht aus Rom überraschend, für andere wiederum nicht. Papst Franziskus möchte nicht auf die Mitarbeit des Münchner Erzbischofs verzichten. Denn auch in Rom gilt Reinhard Kardinal Marx als ebenso loyaler wie kluger Reformer. Und in Deutschland braucht man ihn als mächtigen Unterstützer des Synodalen Wegs. Längst schwebt ein solcher synodaler Prozess auch dem Papst in Rom vor. Für eine Welt-Kirche, die vielerorts am Nullpunkt steht.

Von Johannes Loy

Reinhard Kardinal Marx spricht mit Journalisten, bevor er zu einem Gottesdienst in das Ausbildungszentrum für Pastoralreferenten geht. Foto: Lennart Preiss/dpa

Das ging wirklich schnell. Hatten kirchliche Beobachter nach dem symbolträchtigen Rücktrittsangebot des Münchner Erzbischofs Reinhard Kardinal Marx mit einer monatelangen Hängepartie gerechnet, so benötigte Franziskus nur wenige Tage Bedenkzeit. Die Parole lautet: „Weitermachen!“

So klar und eindeutig die Reaktion aus Rom, so vielschichtig die Interpretationen, die nun bei kirchlichen Insidern ins Kraut schießen. Ein kleines Thesen-Tableau mag bei der Betrachtung hilfreich sein. Franziskus schätzt Reinhard Marx. Weil er sich in der Reihe der Kardinäle stets hinter die Reformbemühungen des Pontifex gestellt hat. Er zählt zum „K-7“ genannten Beraterkreis des Pontifex, der die Reform der römischen Kurie weiterbringen soll. Marx ist außerdem Vorsitzender des Wirtschaftsrates im Vatikan. Auf ihn und seinen Sachverstand will Franziskus keinesfalls verzichten.

Aus den USA kam die Mutmaßung, Franziskus könnte Marx aus München nach Rom in den Vatikan berufen, um ihn dann an die Spitze der mächtigen Bischofskongregation zu setzen. Dort hätte er Einfluss auf alle wichtigen Personalentscheidungen. Franziskus sieht in dem symbolischen Rücktrittsangebot offenbar keinen schweren Grund, Marx von seinem Posten zu entfernen. Anders verhielte sich das, wenn Marx konkrete Versäumnisse nachgewiesen werden könnten. Die Frage ist allerdings, ob in den nächsten Wochen und Monaten aus Trier oder München Untersuchungsergebnisse bekannt werden, die eine konkrete Mitschuld an versäumter Aufarbeitung oder gar Vertuschung ergäben.

Nicht zuletzt: Die bischöfliche Personaldecke in Deutschland wirkt zunehmend löchrig. Der Kölner Kardinal Woelki steckt in einer Vertrauenskrise, der Hamburger Erzbischof Heße hat dem Papst ebenfalls aufgrund Kölner Versäumnisse seinen Rücktritt angeboten. Woher soll, wenn das so weitergeht, eigentlich das Führungspersonal für die Kirche in Deutschland kommen?

Die Diskussionen der vergangenen Jahre haben laut Marx gezeigt, dass manche in der Kirche das Element der Mitverantwortung und die Mitschuld der Institution sowie das systemische Versagen nicht wahrhaben wollen und deshalb jeden Reformdialog im Zusammenhang mit der Missbrauchskrise ablehnen.

So brauchte es den Donnerschlag eines Rücktritt-Ersuchens. Marx hat im Laufe seines bischöflichen Wirkens viel dazugelernt. Er steht längst für einen synodalen Weg, an dem gerade auch die Laien und vor allem die Frauen ihren Anteil haben sollen. Marx darf die Botschaft des Papstes als Aufmunterung verstehen, seinen Weg mutig weiterzugehen.

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