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Kommentar zum Missbrauchsfall von Münster

Höhere Strafen sind kein Allheilmittel

In der wiederaufgeflammten Debatte um schärfere Strafen für Kindesmissbrauch und den Besitz von Kinderpornografie muss man zuerst auf die Frage beantworten: Warum das Thema jetzt die Schlagzeilen bestimmt? Der Grund ist, dass der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul mit einem massiven Ausbau der Fahndungstätigkeit auch tatsächlich mehr Täter aufspürt.

Eva Quadbeck

Eine Gartenlaube, einer der Tatorte des vermutlichen Haupttäters in einem Missbrauchsfall, steht in einer Kleingartenanlage in Münster. Foto: dpa

Die Details dieser Taten, die einfach nur fassungslos machen, dürfen aber nicht zu Kurzschlusshandlungen führen. Über das Strafmaß muss man reden. Es ist aber keineswegs das Allheilmittel im Kampf gegen Kindesmissbrauch.

Erhöhter Fahndungsdruck

Das wirksamste Mittel gegen Kindesmissbrauch ist, diesen zu verhindern, zu unterbinden, aufzudecken und zu stoppen. Der erhöhte Fahndungsdruck, den NRW nun ausübt, dürfte auch eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter haben. Man kann nur alle Innenminister der Bundesländer auffordern, in gleicher Entschlossenheit vorzugehen.

Sehr zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Reform des sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes die Zahl der Hinweise für Ermittlungsbehörden erhöhen wird. Die Plattformbetreiber müssen künftig verdächtige Bilder nicht nur löschen, sondern auch ihre Urheber an die Behörden melden. Umso wichtiger ist es, dass die Länder ihre Fahndungseinheiten mit mehr und spezialisierten Leuten ausstatten.

Regelmäßige Kontrolle

Zudem wird man noch genauer bei Menschen hinsehen müssen, die bereits wegen minder schwerer Fälle von Vergehen an Kindern aufgefallen sind. Wenn sie eigene Kinder oder Kinder von Partnern in Obhut haben, müssen die Behörden sie regelmäßig kontrollieren. Die Behörden müssen vor allem in Zusammenarbeit mit Ärzten und Schule nach dem Wohlergehen der Kinder schauen.

Das Strafmaß spielt selbstverständlich auch eine wichtige Rolle . Es ist beim Thema Kindesmissbrauch aber nicht die erste und wichtigste Baustelle. Es spricht vieles dafür, insbesondere das Strafmaß für den Besitz von Kinderpornos zu erhöhen. Beim Kindesmissbrauch existiert ein sehr differenziertes Paragrafen-Werk, das auf das Verhältnis und das Alter der Personen schaut, die in sexueller Beziehung zueinander stehen. Dass der Strafrahmen für sexuellen Missbrauch von Kindern bei sechs Monaten ansetzt, ist sicherlich zu niedrig.

Schließlich muss man die Gesellschaft insgesamt und Kinder ganz besonders vor Sexualstraftätern schützen. Für Menschen, die pädophile Neigungen verspüren, gibt es inzwischen Therapie-Angebote, die sicherlich noch ausgeweitet und noch offensiver beworben werden könnten. Jene Triebtäter, die nicht therapierbar sind, müssen nach einer abgesessenen Strafe in Sicherungsverwahrung genommen werden.

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