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Kommentar zum ersten Jahrestag des Ukraine-Krieges

Leben zwischen Wunsch und Wirklichkeit

24. Februar 2022: Russland überfällt die Ukraine. 365 Tage später toben die Kämpfe immer noch, das Leid der Menschen ist unermesslich. Und Deutschland diskutiert das Für und Wider von Waffenlieferungen – ein Leben zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Rettungskräfte räumen die Trümmer des nach ukrainischen Angaben von einer russischen Rakete zerstörten Wohnhauses in Pokrowsk. Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Ein Jahr Ukraine-Krieg – ein Jahr Tod und Vertreibung, Flucht und Vergewaltigung, brutale Bombardements und blindwütige Zerstörung. Während Russland rücksichtslos und ohne jeden Skrupel Wladimir Putins perfidem Plan folgt, diskutiert Deutschland mit sich selbst.

Immer unversöhnlicher stehen sich hierzulande Befürworter und Gegner einer entschlossenen militärischen Unterstützung der Ukraine gegenüber. Die gegenseitigen Vorwürfe sind so holzschnittartig wie heftig: Hier ist von waffenstarrenden Kriegstreibern die Rede, dort von Salon-Pazifisten. An diesem Wochenende wird die Konfrontation wohl ei­nen neuen Höhepunkt erreichen, wenn Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer rund um ihr „Manifest für den Frieden“ zu Demonstrationen aufrufen. Zugleich sind zahlreiche Gegendemos angekündigt.

Haben gemeinsam das „Manifest für den Frieden“ verfasst: Sahra Wagenknecht (Die Linke) und die Journalistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer. Für diesen Samstag hat das Duo zur Friedensdemo am Brandenburger Tor aufgerufen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Eine Auseinandersetzung, die es nur in einer Demokratie geben kann. Gut so. Doch bleibt ein tiefes Unbehagen, denn das Wichtigste droht aus dem Blick zu geraten: das unendliche Leiden und die ungewisse Zukunft der Ukrainerinnen und Ukrainer. Die Kühle und Kaltherzigkeit, mit der nicht wenige Friedensbewegte dieser Frage begegnen, ist nur schwer erträglich. Wie auch die Diskussion über den „Schuldanteil“ der Nato an Russlands Angriffskrieg und der üble Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr. All das nützt nur dem Kriegsverbrecher aus dem Kreml, der ohnehin auf Zeit spielt und auf die wachsende Kriegsmüdigkeit des Westens setzt. Und: Wladimir Putin muss sich für nichts rechtfertigen – er schickt tausende russische Soldaten in den Tod und auch das Schicksal seines eigenes Volkes ist ihm im Zweifel egal.

Uns alle eint hoffentlich der Wunsch nach Frieden. Dabei aber dürfen die Bedingungen niemals ausgeblendet werden. Und sicher ist: Ein Zurück zu der Zeit vor dem 24. Februar 2022 wird es so oder so nicht geben. Die Gemütlichkeit, die wir Deutsche lange und gern genossen haben, ist vorbei. Wir sollten endlich anfangen, uns mit der rauen Wirklichkeit auseinanderzusetzen!

Unser Liveticker zum Krieg in der Ukraine

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