Kommentar zum Demo-Aufruf von Wagenknecht und Schwarzer
Manifest der Unfreiheit
Erst ihr „Manifest für den Frieden", nun der „Aufstand für Frieden“: Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer fordern im Ukraine-Krieg einen Stopp der Waffenlieferungen und „Kompromisse auf beiden Seiten.“ Eine bequeme Haltung, die zugleich fatal ist.
Wenn an diesem Samstag Tausende am Brandenburger Tor und an vielen anderen Orten der Republik dem Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer folgen, um zu demonstrieren, machen sie von einem Recht gebraucht, das es in Russland gar nicht gibt. Dort werden Menschen auf offener Straße festgenommen, bloß weil sie ein weißes Schild hochgehalten haben.
Warum ist nicht Putin der Adressat?
Insofern müssten alle Demonstranten denjenigen ins Zentrum ihrer Proteste stellen, der den Frieden in der Ukraine mutwillig zerstört hat: den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ob es so kommt, bleibt abzuwarten. Optimistisch stimmen die Vorzeichen aber nicht. Denn im „Manifest für den Frieden“ ist nicht etwa Putin erster Adressat, sondern die Ukraine und der Westen sind es. Zudem stellen sich die Initiatorinnen nicht schützend vor die Ukraine, und sie stellen sich auch nicht an die Seite der so tapferen und mutigen Ukrainerinnen und Ukrainer, um sie zu unterstützen.
Nein, Wagenknecht und Schwarzer erheben sich de facto über die Ukraine. Ihr Manifest nimmt den Preis der Unterwerfung billigend in Kauf – und wird so zum „Manifest der Unfreiheit“. Es will einen faulen Frieden, der keiner sein kann. Eine Scheinlösung, die die Ukraine zu opfern bereit ist, weil das uns allen vermeintlich mehr nutzt. Dieses Manifest ist auch ein Dokument des Egoismus.
Ohne entschlossene Unterstützung des Westens hat die Ukraine keine Chance
Das alles steht so natürlich nirgends direkt geschrieben. Doch es ist die logische Konsequenz aus den erhobenen Forderungen. Denn ohne entschlossene Unterstützung des Westens hat die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland keine Chance. Liefert der Westen keine Waffen mehr, verschwindet die Ukraine von der Landkarte. Und würde der Konflikt noch heute eingefroren, nützte auch das nur dem russischen Imperialismus. Putin könnte, ja er müsste sich bestätigt fühlen – und dürfte sich zum Weitermachen eingeladen fühlen.
Dass dies alles geflissentlich übergangen wird, dokumentiert, wie erfolgreich hierzulande Putins Propaganda gegen die westliche Allianz im Allgemeinen und die USA im Speziellen wirkt. Und es zeigt, wie erschreckend wenig wir aus der Krim-Annexion im Jahr 2014 und der Zeit danach, wie wenig wir vor allem aus den vergangenen 365 Tagen gelernt haben. Wenn so kluge Frauen wie Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer nicht verstehen wollen, dass Putin nicht nach unseren Regeln spielt, ist das dramatisch. Denn Putin verachtet diese Regeln und macht sie bei jeder Gelegenheit verächtlich. Er lügt und betrügt, lässt sein eigenes Volk leiden und schickt dazu tausende russische Soldaten in den sicheren Tod.
Wladimir Putin hat die Ukraine überfallen, aber er hat dem Westen und unserer Art zu leben den Krieg erklärt. Kommt er damit durch, scheitern wir. Nicht nur die Ukrainer, viele Osteuropäer wissen, was das bedeutet. Deshalb sind sie eher bereit zu kämpfen und zu sterben, als sich (noch mal) unterjochen zu lassen. Wer in Frieden und Freiheit leben darf, sollte das unbedingt respektieren – und in seinem eigenen Handeln berücksichtigen.
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