Kommentar zum Sieg der SPD
Landtagswahl in Niedersachsen: Weiter mit Weil
Stephan Weil jubelt und seine SPD atmet auf: Die Niedersachsen bescheren dem amtierenden Ministerpräsidenten einen klaren Wahlsieg. Und damit nicht genug: Voraussichtlich kann der 63-Jährige demnächst auch wieder mit den Grünen regieren, die ja sein ausdrücklicher Wunschpartner sind. Für CDU und FDP hingegen verläuft das Ende des Superwahljahres 2022 ziemlich trübe.
Weiter mit Weil: Weder der Sozialdemokrat noch seine Wählerinnen und Wähler haben sich vom Ampel-Bashing der Christdemokraten im Wahlkampf-Endspurt kirre machen lassen. Die Niedersachsen lieben es bodenständig, und sie haben in höchst unsicheren Zeiten keinen Grund für einen politischen Wechsel gesehen. Ein Alarmzeichen aber ist das deutliche Anwachsen der AfD, die ihren Stimmenanteil beinahe verdoppeln kann. Und das, ohne auch nur eine einzige konstruktive Antwort auf die drängenden Fragen der Gegenwart liefern zu müssen. Das ist – erst recht im bisher für Populismus wenig anfälligen Niedersachsen – ein deutliches Indiz dafür, dass etwas nicht stimmt im Zusammenspiel von Regierenden und Regierten in unserer Republik.
Ministerpräsident ohne Rückenwind aus Berlin
In Stephan Weil gewinnt einmal mehr ein bekannter und anerkannter Ministerpräsident auch ohne Rückenwind aus dem politischen Berlin. Im Gegenteil: Weils Erfolg verschafft SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, der mit seiner Regierung und den Koalitionspartnern Grüne und FDP von einer Verlegenheit in die nächste stolpert, zumindest eine kurze Verschnaufpause. Zugleich beschert er den Sozialdemokraten einen Erfolg nach zuletzt zwei empfindlichen Schlappen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen. Und das mit einem Ergebnis, von dem die Bundes-SPD nur träumen kann.
Bernd Althusmann von der CDU war ein schwacher Herausforderer
Allerdings liegt Weils Stärke vor allem auch in der Schwäche seiner Herausforderer begründet. Bernd Althusmann hat in keiner Phase des Wahlkampfes erklären können, warum er und seine CDU die nächste niedersächsische Landesregierung anführen sollten. Zusätzliches Problem: Als kleiner Partner in der noch amtierenden Regierung verboten sich ihm Frontalangriffe auf die SPD von vornherein. Die Quittung am Ende: das schlechteste Ergebnis seit 1955. Im Berliner Konrad-Adenauer-Haus wird man sich nun fragen müssen, wie es in und um Hannover weitergehen soll. Dass der bereits zum zweiten Mal als Spitzenkandidat gescheiterte Althusmann noch der richtige Mann für die Zukunft ist, kann ausgeschlossen werden. Seine Ankündigung noch am Abend, den Landesvorsitz abzugeben, ist nur konsequent.
Noch bedeutsamer aber: CDU-Chef Friedrich Merz muss zur Kenntnis nehmen, dass auch unter seiner Führung die schnelle Trendwende nicht gelungen ist. So hat die CDU in diesem Jahr einen Ministerpräsidenten-Posten (im Saarland) und voraussichtlich zwei Regierungsbeteiligungen (in Niedersachsen und im Saarland) verloren, sodass die Union damit nur noch an 8 von 16 Landesregierungen beteiligt wäre. Eine strahlende Bilanz sähe gewiss anders aus, und die Erneuerung der Partei bleibt für Merz ein weiter Weg.
Ganz anders die Stimmungslage bei den Grünen, deren politische Verankerung in den Ländern beeindruckend ist. Reicht es für Rot-Grün in Niedersachsen, sind die Grünen demnächst in 12 von 16 Bundesländern Regierungspartei. Dass das Ergebnis am Wahlabend doch deutlich unter den Prognosen vom Sommer lag, ist da nicht viel mehr als ein Schönheitsfehler.
Lindners FDP ist der große Wahlverlierer des Jahres
Eine Machtbasis, von der die FDP nur träumen kann. Lindners Liberale sind der große Wahlverlierer des Jahres, was ihre Situation in der Bundesregierung noch schwerer macht als sie es ohnehin schon ist. Fliegen sie auch in Hannover aus dem Landtag, wonach es zuletzt in den Hochrechnungen aussah, ist die Pleite perfekt. Personell gibt es zum Parteichef gegenwärtig zwar keinerlei Alternative, aber die FDP droht mehr und mehr den Preis für ihre Beteiligung an der Ampel-Koalition zahlen zu müssen. Und das wiederum dürfte auch dem SPD-Kanzler Olaf Scholz dann schnell wieder einiges Kopfzerbrechen bereiten.
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