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Kommentar zum CSU-Chef und der Kanzlerkandidatur

Wendehals Söder

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat erklärt, dass er definitiv nicht mehr Unions-Kanzlerkandidat werden will. Der CSU-Chef tat dies, wie er alles tut – kraftvoll und extrem breitbeinig. Glauben darf man Söder trotzdem nicht. Er pokert nur.

Ließ sich einst von seinen Getreuen „Kanzlerkandidat der Herzen“ nennen, will nun angeblich aber lieber im Freistaat bleiben: der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Foto: Bodo Schackow/dpa

Markus Söder hat diese Woche erneut ausgeschlossen, dass er Kanzlerkandidat der CDU/CSU werden könnte. Dieses Mal mit großem Aplomb inszeniert in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz – verheißungsvolle Vorab-Botschaft per Twitter inklusive. Das Problem bloß: Dem Wendehals aus Bayern glaubt längst niemand mehr.

Zu oft hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef schon seine Meinung gewechselt. Was der Mann, meist vor Selbstgefälligkeit strotzend, gern „Anpassung an die politische Realität“ nennt, ist eine bemerkenswerte Prinzipienlosigkeit. Söder steht für nichts richtig, weil er schon für alles war – und irgendwann dann eben auch wieder dagegen. Sein Kompass kennt immer nur diese eine Richtung – und die heißt Macht.

Kanzlerkandidatur? Noch weit weg. Dennoch: Zwischen CDU-Chef Friedrich Merz (v.l.), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Bayers Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder könnte es sich entscheiden, wen die Union 2025 in den Kampf um das Kanzleramt schickt. Foto: Oliver Berg/dpa

Dabei ist der Populist im Wortsinne gerade dabei, sich neu zu erfinden. Endgültig abgehakt scheint die politische Depression, von der Söder nach dem ruinösen Kampf um die Kanzlerkandidatur und der krachenden Wahlniederlage für die Union im September 2021 zeitweise befallen schien. Schließlich hatte der CSU-Chef damals ganz erheblichen Anteil daran gehabt, dass ein gewisser Armin Laschet unterging.

Jüngste Umfragen sehen die CSU über 40 Prozent

An diesem Samstag wird Söder auf einem eintägigen Parteitag zum Spitzenkandidaten für die bayerische Landtagswahl am 8. Oktober gewählt. Reine Formsache und für den Franken noch dazu ein Heimspiel – die CSU tagt in „seinem“ Nürnberg. Ein überwältigendes Votum dürfte Söder sicher sein, eine andere Wahl haben die Christsozialen ja nicht. Und warum auch? Die Vorzeichen für die Landtagswahl stehen gut, in Umfragen wird die CSU über 40 Prozent taxiert.

Mit einem solchen Ergebnis würde Söder seine Macht auch über Bayern hinaus festigen – und endlich die für CSU-Verhältnisse schlappen 37,2 Prozent aus dem Jahr 2018 vergessen machen. Und wer weiß: Womöglich kommt ja dann doch der Moment, in dem Söder vergisst, dass er nie wieder Kanzlerkandidat der Union werden wollte. Freilich nur, weil es „eine neue politische Realität gibt“.

Auch wenn gegenwärtig wenig darauf hindeuten mag: Die Politik ist ein viel zu schnelllebiges Geschäft geworden, als dass man heute schon sicher pro­gnostizieren könnte, dass CDU-Chef Friedrich Merz der nächste Kanzlerkandidat der CDU/CSU wird. Die Vorbehalte ihm gegenüber sind bekannt.

Bei Markus Söder muss man mit allem rechnen

Vielen gilt Merz mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 als zu konservativ, zu reich, zu wenig attraktiv für Wählerinnen und vor allem als zu leicht angreifbar seitens der politischen Gegner. Und auch wenn die CDU neben Merz noch andere Kandidaten hätte, allen voran den 20 Jahre jüngeren NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst: Söders vermeintlicher Verzicht ist nicht mehr als die nächste Runde eines Pokerspiels. Der Bayer nimmt sich nur zurück, um im Spiel zu bleiben. Dafür braucht er zuerst den Triumph daheim, dann ist vieles möglich. Und bei einem Markus Söder muss man eh immer mit allem rechnen.

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