1. www.westfalen-blatt.de
  2. >
  3. Überregional
  4. >
  5. Aus aller Welt
  6. >
  7. Chorkinder instrumentalisiert?

  8. >

WDR weist Vorwürfe zurück – Leiter verteidigt sich – Kritik reißt nicht ab

Chorkinder instrumentalisiert?

Köln (dpa/WB). Die Leitung des WDR-Kinderchors, der in einem Satirelied die Oma als „Umweltsau“ besang, hat den Vorwurf zurückgewiesen, die Kinder seien instrumentalisiert worden. „Ich möchte mich als beteiligter Musiker bei allen entschuldigen, die sich trotz der Einordnung als Satire von uns persönlich angegriffen fühlen“, hieß es am Sonntag in einer Stellungnahme auf der Internetseite des Chores.

Der WDR-Kinderchor, hier bei einem Singen im Stadion von Borussia Dortmund, hat das Lied mit der Zeile „Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau“ gesungen. Foto: Bernd Thissen/dpa

Den teilnehmenden Kindern sei erklärt worden, dass mit Überspitzung und Humor der Konflikt zwischen den Generationen aufs Korn genommen werden solle, erklärte der künstlerische Gesamtleiter Zeljo Davutovic. Kinder und Eltern hätten freiwillig entscheiden können, ob sie an dem Projekt teilnehmen. Es gehe nicht um die Oma, „sondern um uns alle. Hier schließe ich mich persönlich ein“, schrieb Davutovic.

Zahlreiche Auftritte in Seniorenheimen dokumentierten die generationsübergreifende Arbeit der Kinderchors. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer allergrößten Respekt vor Seniorinnen und Senioren gezeigt. Diesen werden wir uns auch in Zukunft nicht nehmen lassen“, hieß es in der Erklärung.

Weitere Strophen aus dem umstrittenen Lied: „Meine Oma brät sich jeden Tag ’nen Kotelett, weil Discounterfleisch so gut wie gar nichts kostet.“ und „Meine Oma fliegt nicht mehr, sie ist geläutert – stattdessen macht sie jetzt zehnmal im Jahr ’ne Kreuzfahrt.“

Auch positive Reaktionen

Das Redaktionsteam bedauere, „dass die Satire die Gefühle eines Teils des Publikums verletzt hat“, teilte der WDR mit. Es sei darum gegangen, den Generationenkonflikt, der sich durch die „Fridays for Future“-Bewegung darstelle, mit den Mitteln der Satire aufzugreifen. Die Redaktion von WDR 2 erklärte, warum sie das Video gelöscht hatte, wie folgt: „Die von WDR 2 an dieser Stelle veröffentlichte Satire ‚Unsere Oma fährt im Hühnerstall Motorrad‘ hat sehr unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.

Dies ist im besten Falle auch Sinn einer Satire, es handelt sich ja nicht um einen journalistischen Kommentar, sondern um die Zuspitzung eines Themas (hier: die zuweilen hysterische Klimadiskussion). Betroffen macht uns allerdings der Vorwurf, die beteiligten Kinder seien möglicherweise ‚instrumentalisiert‘ worden. Dies ist absolut nicht der Fall, trotzdem haben wir uns entschlossen, das Video zu löschen, da schon die Mutmaßung, WDR 2 hätte die Kinder des Chores instrumentalisiert, für die Redaktion unerträglich ist.“

Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Frank Überall, sagte dem Deutschlandfunk, er könne nicht verstehen, warum das Video des WDR so polarisieren konnte, weil es klar als Satire gekennzeichnet worden sei. ZDF-Komiker Jan Böhmermann twitterte: „Wer sich jeden Tag billiges Discounterfleisch aufbrät, ist eine Umweltsau.“

Es gab auch positive Reaktionen bei Hörern und Nutzern des WDR. „Scheinbar können es viele Menschen nicht vertragen, wenn man ihnen den Spiegel vorhält“, sagte eine Hörerin in der WDR-Sondersendung, die WDR 2 am Samstagabend aus dem Anlass ins Programm genommen hatte. „Satire muss man aushalten“, sagte auch die 14-jährige Ricarda. „Was ist daran so schlimm?“ Die Kinder seien alt genug, um zu wissen, was sie sängen. „Die haben ihre Großeltern doch trotzdem lieb.“

„Fridays for Future“ geht auf Distanz

Am Ende des Videos sieht man Chormädchen mit ernstem Blick die Lippen bewegen und hört die Stimme der Umweltaktivistin Greta Thunberg: „We will not let you get away with this“ (Wir lassen Euch damit nicht davon kommen).

Sogar die Thüringer Gruppe von „Fridays for Future“ ging auf Distanz und schrieb bei Twitter: „Meine Oma ist KEIN Problem und schon gar keine Umweltsau.“ Gleichzeitig wurden SUVs, Kreuzfahrten und täglicher Fleischkonsum problematisiert.

„Fridays for Future Germany“ hatte vor Weihnachten selbst gegen die ältere Generation geschossen – und auf Twitter geschrieben: „Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.“ In weiteren Tweets stellte „Friday for Future“ die erste Bemerkung dann als Satire dar und entschuldigte sich bei allen, „die sich durch unseren satirisch gemeinten Tweet“ verletzt gefühlt haben.

Startseite
ANZEIGE