Til Schweiger hat einen Film über Bastian Schweinsteiger gedreht
Der Mann, der die WM gewann
München (WB). Nicht Siegtorschütze Mario Götze war das Gesicht des deutschen WM-Triumphs 2014 in Brasilien. Auch nicht Mannschaftskapitän Philipp Lahm, der als erster Spieler den Weltpokal in den Himmel von Rio recken durfte. Das Gesicht des Sieges gehörte Bastian Schweinsteiger, weil er als blutender Held, geschunden vom harten Einsteigen der Argentinier, in der Wahrnehmung der Zuschauer das Finale entschied.
Zu sehen auf dem Filmportal von Amazon
Das ist Stoff, aus dem Legenden gemacht werden – und Grund genug, einen Film über die Karriere eines großen Fußballers zu drehen. Til Schweiger hat für Prime Video, das Filmportal von Amazon, eine Dokumentation über den Ex-Profi und Menschen produziert , die dort jetzt zu sehen ist.
Der pseudo-originelle Titel „Schw31ns7eiger: Memories – Von Anfang bis Legende“ (mit seinen Rückennummern beim FC Bayern München und in der Nationalmannschaft als Ersatzbuchstaben) lässt Schlimmes ahnen. Doch beim Betrachten lösen sich die Befürchtungen schnell auf.
Schweinsteigers Laufbahn von der F-Jugend bis zum letzten Profispiel für Chicago Fire zwei Stunden zu folgen, macht viel Freude. Das mag auch daran liegen, dass dem Fußball und seinen „Geisterspielen“ derzeit die entscheidende Zutat fehlt, die im Film überdosiert ist: Emotionen. Sie sind Schweigers filmisches Mittel – ob bei „Honig im Kopf“ oder hier.
Fast alle kämpfen immerzu mit ihren Tränen
Fast alle kämpfen immerzu mit ihren Tränen. Bis auf Oliver Kahn, der über Schweinsteiger von einem „richtigen Krieger“ spricht, hat jeder feuchte Augen, und Miroslav Klose die feuchtesten. „Und ich war so stolz auf ihn. Bin zu ihm hin, habe ihn in die Arme genommen. Dann gehen einem die Jahre, die man erlebt hat, durch den Kopf, was wir geopfert haben, um oben zu stehen. Es ist eine Bindung zwischen uns, die kann man nicht beschreiben. Die bleibt fürs Leben“, sagt Klose und hört sich dabei nicht wie ein Mitspieler an, sondern wie ein Trainer. Das sagt der WM-Rekordtorschütze nicht einfach in die Kamera, dazu gibt es die passende Szene aus dem Endspiel, die genau diesen Moment der Umarmung zeigt.
Auch Uli Hoeneß, der das WM-Finale 2014 allein in seiner Gefängniszelle verfolgte, steht das Wasser in den Augen, wenn er sich daran erinnert, wie Schweinsteiger ihm live via ARD einen Gruß in den Knast schickte. „Ganz spezieller Gruß an einen Mann, ohne den wären wir alle nicht hier, das ist Uli Hoeneß. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Wir glauben daran, dass alles gut wird, und unterstützen Sie sehr.“ Hoeneß’ Rührung, aufgenommen wie bei „ZDF History“, wirkt auch Jahre später nicht aufgesetzt: „Da hat’s mich vom Bett rausgehauen. Eines der eindrücklichsten Erlebnisse, die ich je gehabt habe.“
Heimvideo-Aufnahmen aus Kindertagen in Oberaudorf
Ein Erlebnis ist das Filmmaterial. Vieles sieht ungesehen aus, nicht nur die Heimvideo-Aufnahmen aus Kindertagen in Oberaudorf und Jugendtagen mit Ski-Spezi Felix Neureuther. Neue Ausschnitte und andere Perspektiven machen den Film für Fußballliebhaber so sehenswert. Man betrachtet sie, als wären sie bislang verborgen geblieben. Das trifft besonders auf das verlorene Champions-League-Finale 2012 gegen Chelsea zu. Wie Didier Drogba vor dem Eckstoß, der zu seinem Ausgleichstreffer führt, seinen Mitspielern selbstbewusst die Zunge zeigt, ist so ein Moment.
Überhaupt das „Finale dahoam“ im eigenen Stadion, das zum „Desaster dahoam“ werden sollte. Die Dramaturgie ist simpel: Ende 2010 verlängert Schweinsteiger seinen Vertrag in München um fünf Jahre – mit der Vision vor Augen, in der Allianz-Arena 2012 den Landesmeisterpokal zu gewinnen. Am Ende wird aus dieser Vision keine Wirklichkeit, weil der Mittelfeldspieler Bayerns letzten Strafstoß im Elfmeterschießen an den Pfosten setzt und im Anschluss Didier Drogba Chelsea zum Titel schießt. Tief in Schweinsteigers Seele lastet diese dramatische Niederlage noch immer. Und niemand weiß, wie seine Karriere verlaufen wäre, wenn die Bayern im Jahr darauf auch das Finale in Wembley gegen Borussia Dortmund verloren hätten. Wäre er dann in Brasilien zum Helden geworden?
Dass Schweinsteiger nicht der Typ ist, der nun an der eigenen Legende strickt, zeigen die Bilder mit seiner Frau Ana Ivanovi. Das Ehepaar hält die beiden kleinen Kinder aus der Öffentlichkeit und geht liebevoll miteinander um. Das wirkt natürlich, nicht gespielt.
Zum ersten Mal in der Startelf ausgerechnet gegen Bielefeld
Einzige Kritik aus OWL-Sicht: Man hätte erwähnen können, dass Schweinsteiger sein erstes Bundesliga-Spiel in Bayerns Startelf am 1. Februar 2003 bei Arminia Bielefeld (0:0) gemacht hat.
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