2600 Westfalen erhalten Fondszahlungen
Streit um Entschädigung ehemaliger Heimkinder
Detmold (WB). Mehr als 2600 ehemalige Heimkinder und Psychiatriepatienten in Westfalen-Lippe haben bislang Entschädigungen für erlittenes Leid in den Jahren 1949 bis 1975 erhalten.
Diese Zahlen hat der zuständige Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) auf Anfrage mitgeteilt. Hilfe erfolgt durch zwei Fonds. 2012 war der »Fonds Heimerziehung West« aufgelegt worden. Anträge konnten bis Ende 2014 gestellt werden. »2077 Menschen haben sich bei uns gemeldet, 1890 erhielten eine Entschädigung«, sagt LWL-Sprecher Markus Fischer. 78 Anträge laufen noch, weil etwa Therapien noch nicht beendet wurden. Ablehnungen habe es nur in wenigen Fällen gegeben, und das nur, weil die Antragsteller außerhalb des relevanten Zeitraums (1949-1975) in den Heimen gewesen seien oder in einer Einrichtung außerhalb der Zuständigkeit des LWL. Insgesamt zahlte der LWL 7,25 Millionen Euro an Rentenersatzzahlungen (Einmalzahlungen) und gut 17 Millionen Euro für Sachleistungen, zumeist Therapien.
Zudem gibt es seit Jahresbeginn die Stiftung »Anerkennung und Hilfe«, die Menschen entschädigt, die als Kinder oder Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in der Psychiatrie Unrecht erfahren haben. Die Stiftung wird auch von den Kirchen finanziert. Von bislang 830 Anträgen in Westfalen sind laut LWL 84 abgelehnt worden – aus den gleichen Gründen wie beim »Fonds Heimerziehung West«. Antragstellung und Bearbeitung seien bei beiden Fonds reibungslos verlaufen. »Die Anforderungen sind nicht zu hoch«, sagt Fischer.
Anders ist dies bei Opferentschädigungsrenten. Friedhelm Münter (65) aus Dülmen, in den 60er Jahren Heimkind in Westuffeln bei Werl, war im Oktober der erste, der eine solche Rente vor dem Landessozialgericht in Essen erstreiten konnte.
800.000 Kinder und Jugendliche in Heimen untergebracht
»Offenbar sind die Hürden zu hoch, wenn angesichts tausender Betroffener lediglich eine Person erfolgreich klagen konnte«, schlussfolgert der lippische SPD-Landtagsabgeordnete Dennis Maelzer. Er hatte zum Thema bei NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) angefragt. »Trotz der unbestritten vielfach erfolgten Traumatisierung betroffener Menschen in den Heimen sind die Voraussetzungen nachweisbarer Erkrankungen infolge des Heimaufenthalts bei vielen ehemaligen Heimkindern nicht erfüllt«, antwortet Laumann dem lippischen Abgeordneten.
Das Recht sehe sogar eine Beweiserleichterung vor, »die es beim Fehlen von Nachweisen erlaubt, die schlüssigen Angaben des Betroffenen einer positiven Entscheidung zugrunde zu legen«. Einen gesetzlichen Änderungsbedarf sieht die Landesregierung nicht. »Es nützt den Opfern wenig, wenn sie einen abstrakten Rechtsanspruch haben, der in der Realität kaum eingelöst werden kann«, kritisiert Maelzer. Fondszahlungen seien kein Ersatz für eine Opferrente.
Deutschlandweit waren von 1949 bis 1975 bis zu 800.000 Kinder und Jugendliche in Heimen untergebracht. Viele erlebten Übergriffe und Misshandlungen.
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