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Beratungsfirma McKinsey schlägt Einsparungen von 190 Millionen Euro pro Jahr vor – mit Kommentar

Jobabbau bei Miele geht weiter

Gütersloh (WB). Ende des Jahres endet bei Miele die Beratung durch McKinsey – von ganz wenigen kleineren Fällen abgesehen, die aber ebenfalls im ersten Quartal 2020 abgeschlossen werden. Gestern präsentierte der Gütersloher Hausgeräte-Hersteller das Ergebnis: 1070 Stellen sollen, wie berichtet, weltweit abgebaut werden, davon 240 in Deutschland.

Bernhard Hertlein und Stephan Rechlin

Bis zu weitere 240 Stellen will Miele bis 2021 in Deutschland abbauen – die meisten am Stammsitz in Gütersloh. Foto: dpa

Man werde alles daran setzen, den Abbau bis zum Jahresende 2021 »verantwortungsvoll« und »sozialverträglich« durchzuführen, heißt es in der Presseerklärung des Unternehmens. Betriebsbedingte Kündigungen sollen »so eben möglich« vermieden werden. Gespräche mit dem Betriebsrat sollen in Kürze beginnen.

Neue Stellen – insgesamt 470 – entstünden vor allem im Digitalbereich. Für ihn soll ein neuer »Digital Hub Marketing & Sales« geschaffen werden – mit Sitz in Amsterdam. Miele-Sprecher Carsten Prudent begründet die Standortwahl damit, dass die dafür gesuchten Experten »in einer charmanten Metropole« wie Amsterdam eher zu finden seien.

190 Millionen Euro pro Jahr einsparen

Miele zählt weltweit aktuell 20.200 Beschäftigte, davon 11.050 in Deutschland, 5330 allein in Gütersloh. Ziel des Sparprogramms »Design2Excellence«, das die Geschäftsleitung in Zusammenarbeit mit McKinsey erstellt hat, sind Einsparungen von 190 Millionen Euro pro Jahr. Der größere Anteil entfalle auf die Reduzierung der Sachkosten. In den Bereichen Vertrieb, Service, Logistik, IT und bei Standardtätigkeiten im Finanzbereich gebe es Überschneidungen und Parallelstrukturen, die abgebaut werden sollen.

Der jetzt angekündigte Stellenabbau betrifft noch nicht die Verhandlungen mit Betriebsrat und IG Metall über Kosteneinsparungen in der Gütersloher Waschmaschinen-Fabrik. Dabei sollen weitere 650 Arbeitsplätze in Zusammenhang mit der Eröffnung eines neuen Werks im polnischen Kaserów wegfallen. Dies allerdings erst ab Ende 2025. In diesem Fall würde sich die Gesamtzahl der wegfallenden Stellen auf 1720 und einschließlich einer weiteren Reduzierung im Werk Bielefeld sogar auf 1900 erhöhen – abzüglich der geplanten neuen Jobs, die aber vor allem im Ausland entstehen.

Die Produktion in Kaserów ist gerade angelaufen. Derzeit beschäftigt Miele dort 130 Mitarbeiter. Ihre Zahl soll bis Anfang 2021 auf annähernd 400 steigen. Die Planungen sind, so Prudent, noch nicht abgeschlossen. In der Gütersloher Waschmaschinen-Fertigung würden nach heutigem Stand künftig vermutlich 1450 Beschäftigte arbeiten.

Im Geschäftsjahr 2018/19 erwirtschaftete Miele einen Umsatz von 4,16 Milliarden Euro. In den vergangenen fünf Jahren stieg er den Angaben zufolge um mehr als 30 Prozent, die Beschäftigtenzahl um gut 17 Prozent. Auch im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres stünden die Zeichen auf Wachstum. Gleichzeitig stellten aber tief greifende Veränderungen auf dem Weltmarkt das Unternehmen wie die gesamte Branche vor große Herausforderungen. Rückgänge seien vor allem im Export spürbar, wo die aktuellen Handelskonflikte und der wachsende Protektionismus das Geschäft von Miele erschwerten. In China leide die in den vergangenen Jahren stark gewachsene Immobilienwirtschaft unter staatlichen Re­striktionen. Auch die politischen Unruhen in Hongkong dämpften das Geschäft. Zudem hat es Miele mit der wachsenden harten Konkurrenz preisgünstiger Wettbewerber aus Asien zu tun.

180 Stellen fallen in Bielefeld weg

Thomas Wamsler, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in den Kreisen Gütersloh und Warendorf, sieht in den am Mittwoch bekannt gewordenen Beschlüssen einen Verzicht auf Mieles bisheriges Alleinstellungsmerkmal: »Mit der Produktionsverlagerung in Nachbarstaaten und dem Personalabbau vollzieht Miele die Schritte nach, die schon andere Firmen aus der Hausgerätebranche unternommen haben, um der asiatischen Konkurrenz zu begegnen. Genutzt hat es ihnen nicht.« Statt auf die eigene Innovationskraft und Markenstärke zu setzen, gehe es um den kurzfristigen Erhalt der nach wie vor guten, betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Wamsler vermutet den weit verzweigten Familienrat als treibende Kraft hinter den Beschlüssen.

In dem auf Geschirrspüler und Staubsauger spezialisierten Bielefelder Miele-Werk werden bis Ende 2020 bis zu 180 weitere Stellen wegfallen. Zugleich sollen die Stückzahlen der im Werk Unicov gefertigten Miele-Geschirrspüler steigen. Der Personalabbau soll ohne Kündigungen etwa durch Nichtbesetzung frei werdender Stellen erfolgen.

Ein Kommentar von Bernhard Hertlein

Auch wenn sich die Miele-Geschäftsleitung noch so viel Mühe gibt, die Bereiche in den Vordergrund zu stellen, in denen das Gütersloher Unternehmen künftig investieren will: Die Belegschaft sieht vor allem den geplanten Abbau von 1070 Arbeitsplätzen – zuzüglich 180 in der Bielefelder Geschirrspüler- und 650 in der Gütersloher Waschmaschinen-Produktion. Damit erfüllt der Plan das, was Kritiker – nicht nur von der IG Metall – ohnehin von einer Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen McKinsey erwartet haben.

In der Vergangenheit profitierte Miele stark vom Ruf der Qualität »Made in Germany«. Künftig werden Verkäufer noch mehr den Firmennamen in den Vordergrund stellen. Damit er nicht leidet, sollte Miele alles tun, um den Jobabbau, wie angekündigt, sozialverträglich durchzuführen.

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