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Bielefelder Firma Reckhaus für den Deutschen Klima- und Umweltpreis nominiert

Vom Insektentöten zum Insektenschutz

Berlin/Bielefeld (WB). Die Bielefelder Firma Reckhaus GmbH und ihr Projekt „Insect Respect“ sind für den „Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt“ nominiert. Der Preis wird vom Bundesumweltministerium alle zwei Jahre vergeben. Für die sieben Kategorien haben sich insgesamt 132 Unternehmen, acht Forschungseinrichtungen und eine Behörde beworben. Aus ihnen wählte die Jury 22 Projekte für die Endauswahl aus.

Bernhard Hertlein

Hans-Dietrich Reckhaus (links) bei der Anlage einer Dachwiese; dritter von rechts: der Bielefelder Unternehmer Armin Halfar. Foto: Bernhard Pierel

Reckhaus ist wohl der einzige Hersteller von Insektenvernichtungsmitteln, der öffentlich zugleich für mehr Insektenschutz eintritt. „In der Branche hat man dafür kein Verständnis“, schmunzelt der geschäftsführende Gesellschafter Hans-Dietrich Reckhaus. „Da gelte ich als das schwarze oder auch als das grüne Schaf.“

Viele Insektenarten im Bestand gefährdet

In der Tat sind die Insekten in Deutschland stark auf dem Rückzug. „Schon über 30 Prozent der Insektenarten sind in ihrem Bestand gefährdet“, heißt es auf der Homepage von Reckhaus. Knapp fünf Prozent seien ausgestorben. Naturschutzorganisationen zählten in Teilen von Deutschland 80 Prozent weniger Insekten als noch vor 15 bis 20 Jahren. 2017 berichtet das Online-Wirtschaftsmagazin Plos one über eine Studie, nach der die Biomasse von Fluginsekten seit 1990 über 75 Prozent zurückgegangen sei.

Firma Reckhaus 1956 gegründet

Gestartet ist die Firma Reckhaus 1956 als Hersteller von Lösungen zur Insektenbekämpfung. Als eines der ersten Unternehmen in Deutschland füllten die

Bielefelder Aerosol-Dosen ab. Aerosole sind Gemische aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen in einem Gas. Andere Produkte wie etwa Mottenpapier kamen hinzu.

1976 stieg Reckhaus mit der Marke „elle by Reckhaus” und als Handelspartner internationaler Labels vorübergehend in das Segment der “Damenoberbekleidung” ein. Nach zehn Jahren wurde der Zweig wieder eingestellt.

Siegel Insect-Respect startet 2012

Chemische Mittel zur Insektenvernichtung stellt Reckhaus nach wie vor her – seit 2012 allerdings mit dem selbst entwickelten Umweltsiegel Insect-Respect. Außerdem druckt Reckhaus auf der Rückseite der Verpackung Informationen, wie wertvoll Insekten sind und was zu ihrem Schutz getan werden kann.

Mit dem Siegel verpflichtet sich das Unternehmen, als Kompensation für die Insekten, die durch ihre Mittel getötet werden, Wildblumenwiesen und ähnliche Flächen zu schaffen, die den Tieren Nahrung, Versteck und Möglichkeiten zur Überwinterung bieten. Dabei legt Heinz-Dieter Reckhaus großen Wert auf einheimische Pflanzen und vor allem auf Schutzräume wie Totholzecken, Steinhaufen und Sandflächen. Hilfreich, so der Firmenchef, sei auch die Begrünung von Dächern; Zusätzlich verbessere sie noch das Umgebungsklima und spare Energie- sowie Abwasserkosten.

Reckhaus als Botschafter bei anderen Unternehmen

Die – bezahlte – Beratung und Betreuung der Anlage von Flächen für den Insektenschutz wird als eigenständiges Geschäftsfeld für das Bielefelder Unternehmen immer wichtiger. Zu den Kunden gehören bisher unter anderem Ritter Sport, Heidelberger Zement, Alukon als Tochterfirma von Hörmann (Steinhagen) im oberfränkischen Konradsreuth und der Bielefelder Taschen- und Rucksack-Hersteller Halfar . „Seit eineinhalb Jahren erreicht mich wöchentlich aus dem gesamten deutschsprachigen Raum mindestens eine Anfrage, ob wir nicht tätig werden können“, berichtet Reckhaus, der auch als Buchautor („Insect Respect.“, „Warum jede Fliege zählt“) für den Insektenschutz wirbt.

Sein Traum sei, dies zum Hauptgeschäftsfeld des Familienunternehmens zu machen. Auf die Frage, warum er überhaupt noch Produkte anbiete, mit denen Insekten beseitigt werden, verweist er auf „meine unternehmerische Verantwortung für die 50 Beschäftigten”, zu denen noch zehn Mitarbeiter bei der Reckhaus AG im schweizerischen Gais hinzukommen. „Immerhin können diejenigen, die glauben, im Haus nicht ohne Insektentöten auskommen zu können, sich mit unseren Produkten die Gewissheit kaufen, dass wir wenigstens anderswo für einen Ausgleich sorgen.

Verleihung am 26. März

Allerdings zieht das Argument bei zu vielen Verbrauchern noch nicht. Deshalb, so Reckhaus, sei die Nominierung für den Deutschen Umwelt- und Klimapreis für das Unternehmen wichtig. Es wäre, sollte Reckhaus bei der Verleihung am 26. März erfolgreich sein, nicht die erste Auszeichnung. Zuletzt erhielten die Firma und ihr Projekt unter anderem den „Energy Globe Award“, den „Responsible Care Preis“ der Chemischen Industrie und den „Green Product Award“. Der Deutschen Umwelt- und Klimapreis ist mit insgesamt 175.000 Euro dotiert.

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