Aufregung in Frankreich
Titelseite der Zeitung „L‘Equipe“: Unsportlich zweideutig
„Comme en 18“ „Wie im Jahre 18“ – 1918 oder 2018?, fragen sich die geschichtsbewussten Franzosen. Was meint „L‘Equipe“, den französischen Erfolg bei der Weltmeisterschaft oder den Sieg im Ersten Weltkrieg?
Die Sportzeitung „L‘Equipe“ ist so etwas wie Frankreichs „Kicker“ und gilt als Lieblingslektüre von Emmanuel Macron. Dem französischen Präsidenten dürfte nicht geschmeckt haben, was er gestern Morgen las: „Comme en 18“ („Wie im Jahre 18“), titelte die Sportzeitung zum Sieg der „Bleus“ über „le Mannschaft“. Das „Jahr 18“ lässt sich sportlich verstehen als Hinweis auf die Weltmeisterschaft 2018, in der die Nationalelf in der Vorrunde ausschied und Frankreich siegte. Aber es lässt sich auch maximal unsportlich verstehen: als Anspielung auf die deutsche Niederlage im ersten Weltkrieg 1918.
In den frankophonen sozialen Netzwerken wurde die eindeutig zweideutige Schlagzeile sofort verstanden – und auf 1918 bezogen. „Autsch!“, „Schlechter Geschmack“, „Schämt ihr euch nicht, L‘Equipe?“ oder „Die spinnen, die Nationalisten“ lasen sich die Kommentare. Olivier Faure, Vorsitzender der Sozialisten in der Nationalversammlung vergab gar den „carton rouge“, die Rote Karte, für diese Schlagzeile. Die Empörung zeigt, wie lebendig „la grande guerre“ im Bewusstsein der Franzosen ist – und wie lebendig die deutsch-französische Freundschaft.
Dabei verleiht der Sieg ausgerechnet durch Hummels’ Eigentor der kriegerischen Anspielung zusätzlich Brisanz. Schließlich verbreiteten die deutschen Generäle nach ihrer Niederlage 1918 die „Dolchstoß-Legende“: Die November-Revolutionäre daheim hätten der „im Felde unbesiegten“ Armee den Dolch in den Rücken gestoßen.
Es soll Fans geben, die den Fußball als Fortsetzung des Krieges mit sportlichen Mitteln sehen, so wie der preußische General Carl von Clausewitz den Krieg als „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ bezeichnete. Deutschlands Botschafter in Paris jedenfalls konterte das Foul von L‘Equipe überaus diplomatisch: „Die Erinnerung an die deutsche Leistung 2018 bleibt schmerzhaft“, twitterte Hans-Dieter Lucas auf Französisch, „aber glücklicherweise haben unsere Freunde #LesBleus in diesem Jahr große Emotionen bei uns leben lassen. Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!“
- Der Autor: Martin Ellerich mag Frankreich, interessiert sich für Geschichte – und für Fußball, wenn er politisch wird.
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